Ella und der Neue in der Klasse
mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn.
Das war unsere Chance. Der Onkel hatte sich gerade an einen kleinen Tisch neben dem Laufsteg gesetzt und sich aus seiner Thermosflasche Kaffee eingegossen, als wir bei ihm ankamen.
»Die Spielzeugabteilung ist im sechsten Stock«, sagte er, als er uns sah.
»Wir suchen kein Spielzeug«, sagte Timo.
»Wir suchen Paavo«, erklärte ich.
»Paavos führen wir nicht«, sagte der Onkel.
»Er wird vermisst«, erklärte es Tiina genauer.
»Die Vermisstenstelle ist bei der Polizei«, stöhnte der Onkel.
»Könnten Sie ihn nicht trotzdem ausrufen, wo Sie schon ein Mikrofon haben?«, bat Hanna.
»Jetzt hört mir mal gut zu, ihr Gartenzwerge«, sagte der unfreundliche Onkel. »Das hier ist kein Spielplatz, hier machen Erwachsene ihre Arbeit. Was denkt ihr denn? Models sind extrem empfindliche, extrem gut bezahlte und extrem knapp bekleidete junge Frauen, die sich gestört fühlen, wenn ich auf einmal irgendwelche verloren gegangenen Paavos ausrufe.«
Das war natürlich schade. Wie sollten wir Paavo jemals finden, wenn niemand ihn ausrufen wollte? Wir verfolgten niedergeschlagen, wie der Mann seinen Kaffee zu Ende schlürfte, sich wieder den Schweiß von der Stirn wischte und aufstand.
»Und nun zum Höhepunkt unserer Modenschau – zu dem, was darunter steckt, meine Damen und Herren!«, verkündete er durch sein Mikrofon.
Als Erste kam Jennika in roter Unterwäsche auf den Laufsteg. Dann kam Jonne in einer blauen Unterhose, und wir mussten lachen, weil er ohne Kleider überhaupt nicht mehr wie jemand aussah, vor dem man Angst haben musste. Höchstens dachte man, dass er nicht genug zu essen bekam.
Nach Jonne kamen noch ein paar Models in farbiger Unterwäsche, und als Letzte betraten Pekka und Mika den Laufsteg. Für uns war es keine Überraschung, dass auf Pekkas Unterhose Raketen abgebildet waren und Mika Jonnes lange schwarze Lederjacke wie einen Batman-Umhang trug. Wir fanden es auch lustig, dass sie genauso komisch mit dem Hintern wackelten und ins Publikum winkten wie die richtigen Models. Aber der Onkel in der karierten Jacke kriegte einen roten Kopf, als er sie sah. Erst dachten wir, es wäre ein Beerenpuddingrot, aber dann war es doch mehr die Feuerwehrautofarbe.
»Runter vom Laufsteg!«, brüllte er ins Mikrofon.
»Nicht ihr! – Die zwei verkleideten Gartenzwerge!«, brüllte er, als die richtigen Models hinter dem Vorhang verschwinden wollten.
Die Models blieben stehen und starrten Pekka und Mika an. Auch das Publikum starrte nur die beiden an. Es war auf einmal ganz still.
»Die Unterwäsche der Saison verbindet zeitlosen
Schick mit romantischem Charme«, versuchte der Onkel die Modenschau zu retten.
»Und mit Raketen!«, rief Pekka vom Laufsteg.
»Beachten Sie die Spitzen an Jennikas Traumwäsche!«, versuchte es der Onkel.
»Und meinen Umhang!«, rief Mika.
»Auf der Rückseite hab ich noch einen Mond!«, rief Pekka und wollte ihn zeigen.
Aber da war kein Mond. Er war auf der Vorderseite.
»Na toll, da hab ich sie wieder falschrum an!«, motzte Pekka.
»Unsere mutige und fantasievolle Unterwäsche verleiht dem Träger Selbstbewusstsein in allen Lebenslagen und betont seine Persönlichkeit«, sagte der Onkel in der karierten Jacke zerknirscht.
Dabei hatte er recht. Die Raketenunterhose verlieh Pekka bestimmt Selbstbewusstsein, auch wenn er sie falsch herum anhatte.
»Batman ist die größte Persönlichkeit der ganzen Welt!«, rief Mika und breitete die Arme aus.
»Könnte bitte jemand diese beiden Clowns vom Laufsteg holen?«, rief der Onkel in der karierten Jacke verzweifelt.
Dabei waren auf dem Laufsteg gar keine Clowns. Da waren ehrlich nur die Models und unsere Freunde: Pekka, der gerade seine Unterhose richtig herum anzog, und Mika, der jetzt mit wehendem Lederumhang herumflatterte.
Jennika war richtig nett und half Pekka, der mit beiden Beinen ins selbe Unterhosenbein gestiegen war. Jonne hatte sich zum Lachen an den Rand des Laufstegs gesetzt, und die anderen Models kauten an ihren Nägeln, obwohl sie bestimmt wussten, dass Nägelkauen eine Unsitte ist und man zum Schulpsychologen muss, wenn man damit nicht von allein aufhört.
Der Onkel in der karierten Jacke wollte jetzt nicht mehr. Er brummte noch was, was niemand verstand, dann legte er das Mikrofon auf das Tischchen mit der Thermoskanne und kletterte selbst auf den Laufsteg. Jetzt oder nie!, dachten wir.
»Hat irgendjemand Paavo gesehen?«, fragte Timo, und wir
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