Ellas geheime Traeume 1&2
Ton wiederholte, gesellte sich eine leisere, die jedoch bestimmter klang und sich schließlich durchsetzte. Na und? Meine Idee war doch ziemlich gut…und die Skizze erst… Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus.
Sie hatte den überraschten Ausdruck in Federicos Augen gesehen – und jetzt, da sie den Moment noch einmal Revue passieren ließ, stieg so etwas wie ein leiser Stolz in ihr auf. Noch nie hatte sie etwas Privates – in diesem Fall ihre Leidenschaft für das Zeichnen – mit jemandem bei der Arbeit geteilt. Immer hatte sie Angst gehabt, ausgelacht zu werden. Und nun war es so leicht gewesen und hatte sich so gut angefühlt, Federico ihr Können zu offenbaren.
Von stillem Glück beschwingt, ging Ella zu ihrem Schreibtisch herüber. Als sie kurz nach dem Aufstehen an ihren Job gedacht hatte, waren ihr Federicos freundliche Augen gar nicht in den Sinn gekommen – und nun ließ der Gedanke an sein Lächeln alles Negative in den Hintergrund treten. Nicht einmal das laute Getuschel der beiden Frauen aus der Buchhaltung, die sich auch heute Morgen bei Ellas Ankunft wie üblich über ihre Discounterkleidung, ihr Lockenchaos und ihr fehlendes Make-Up die Mäuler zerrissen hatten, schien in diesem Moment wichtig.
Sie checkte ihre Mails – doch ihre Gedanken schweiften ab, und statt ihres E-Mail-Clients schien Federicos Grafikprogramm auf ihrem Monitor aufzutauchen.
Ob ich so etwas wohl auch könnte?
Nun drangen einzelne Zeilen einer mit WICHTIG überschriebenen E-Mail in Ellas Gedankenwelt; sie blinzelte, um in die Wirklichkeit zurückzufinden. Das, was sie da las, brachte sie schneller in die Realität zurück, als ihr lieb war. Ihr Chef teilte ihr mit, dass sie in einer halben Stunde im Konferenzraum Kaffee und Gebäck servieren sollte.
Unwillig zog sie eine Schublade auf, um ihr Äußeres in einem Taschenspiegel zu überprüfen. Kurz hielt sie inne, als ihr Federicos Kompliment in den Sinn kam. Du siehst heute aber hübsch aus!
Kritisch betrachtete sie ihr Spiegelbild. Ihre Wangen waren leicht rosig; ihre hellgrauen Augen glänzten und stellten die leidigen Augenringe in den Schatten. Nur die Haare waren wie immer eine Katastrophe. Lächelnd legte sie den Spiegel vor sich und beförderte die Locken wieder an ihren Platz. Dann stand sie auf, um Kaffee und Gebäck vorzubereiten, wobei sie an ihre Kaffeetasse im Badezimmer dachte, deren Inhalt jetzt vermutlich von einer kalten Haut überzogen sein würde. Meinen Kaffee zur Mittagspause habe ich mir schon jetzt verdient, dachte sie, während sie sich, das Tablett auf dem Unterarm balancierend und die Kaffeekanne in der Hand haltend, auf den Weg zum Konferenzraum machte.
Laute Stimmen drangen aus dem Inneren. Satzfetzen wie „die Kunden positiver ansprechen“ und „passende Symbolik“ legten die Vermutung nahe, dass sich das Meeting um das Corporate Design irgendeines Unternehmens drehte – um die grafische Umsetzung der Firmenidentität also. Möglicherweise, dachte sie, handelt es sich bei dem Kunden sogar um den Inhaber des ‚Sportparks‘. Wenn dem so war, dann saß auch Federico in diesem Moment auf einem der Stühle, die um den großen Glastisch nebenan standen.
Ella hasste den Moment des Eintretens, wenn sich alle Augen auf sie richteten, und sie würde sich wohl niemals daran gewöhnen können. Sie atmete tief durch und öffnete die Tür.
-3-
Alan Lancefield, Inhaber und Geschäftsführer des ‚Sportparks‘, hob anerkennend die Brauen, als sich die Beamer-Leinwand vor ihm mit Licht und Farbe füllte.
Der Logo-Entwurf, der an die Leinwand in dem großen Raum projiziert wurde, stellte eine echte Verbesserung gegenüber dem Entwurf dar, den er in der Woche zuvor zu sehen bekommen hatte. Die klaren Linien, die an das riesige gläserne Dach des überdachten Freizeitcenters erinnern sollten, waren nicht verändert worden. Stattdessen hatte der Designer Federico Alessi weichere Formen hinzugefügt, die dem Logo mehr Schwung verliehen, ohne dass es dadurch an Seriosität verlor.
„Da hatten sie wirklich eine tolle Idee. Kompliment!“ sagte Alan, während er sich vorstellte, wie das neue Logo demnächst den Eingang des Sportparks, die Kleidung seiner Angestellten und seine eigene, goldgeprägte Visitenkarte zieren würde. Es war nahezu perfekt. Er konnte nicht umhin, Bewunderung für den jungen Designer zu empfinden.
Es ist wirklich unfair, dass ein solch talentierter Mensch vermutlich niemals zu großem Reichtum kommen wird ,
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