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Ellernklipp

Ellernklipp

Titel: Ellernklipp Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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nicht.«
    »Ei, ei, Hilde... Hast du denn nicht gelernt?«
    »Ich habe gelernt... Aber ich kann es nicht lernen...«
    »Und du wußtest doch das erste.«
    »Ja, das erste kann ich und das zweite kann ich beinah. Aber das dritte kann ich
nicht
. Und ›Was ist das?‹, das kann ich gar nicht.«
    Sörgel, der sonst immer einen Scherz hatte, sagte nichts und ging in seinen Sammetstiefeln auf und ab. Endlich blieb er vor Martin stehen, schlug ihn mit der Hand leise unters Kinn und sagte: »Martin, du kannst es. Nicht wahr?«
    »Ja, Herr Prediger.«
    »Ich dacht es mir«, antwortete Sörgel, und ein leiser Spott umspielte seine Züge. Dann aber ging er auf den Tisch zu, wo die Bibel lag, und blätterte darin, alles nur, um seiner Erregung Herr zu werden, und sagte dann, indem er sich wieder an Hilde wandte: »Höre, Hilde, der Tag deiner Einsegnung ist nun vor der Tür, und wenn ich dich in die christliche Gemeinschaft einführen soll, so mußt du christlich sein. Ich will dich aber nicht mit dem Worte quälen, der Geist macht lebendig, und so sage mir denn auf
deine
Weise, was ist ein Christ?«
    »Ein Christ ist, wer an Christum glaubt. Das heißt an Christum als an den eingeborenen Sohn Gottes, der uns durch einen schuldlosen Tod aus unserer Schuld erlöset hat. Und darum heißt er der Erlöser. Und wer an den Erlöser und seinen Erlösertod glaubt, der kommt in den Himmel, und wer nicht an ihn glaubt, der kommt in die Hölle.«
    Der Alte lächelte bei dem Schlußworte dieses Bekenntnisses und sagte: »Brav! Und ich will den wilden Schößling an deinem jungen Glaubensbaume nicht wegschneiden. Aber muß es denn eine Hölle geben? Meinst du, Hilde?«
    »Ja, Herr Pastor.«
    »Und warum?«
    »Weil es gut und böse gibt und schwarz und weiß und Tag und Nacht.«
    »Und von wem hast du das?«
    »Von Melcher Harms.«
    »Ah, von
dem
!« antwortete der Alte. »Ja, der tut es nicht anders. Und wir wollen es dabei lassen, wenigstens heute noch. Sind wir erst älter, so findet sich's, und wir reden noch darüber... Und für heute nur noch das: Martin soll den Glauben sprechen, und du sollst ihn
nicht
sprechen. Aber ich denke, du
hast
ihn, hast ihn in deinem kleinen Herzen, und ich wollt, es hätt ihn jeder so.«
    Und er streichelte sie liebevoll, als er so sprach, und setzte mit ernster Betonung hinzu: »Du hast die Zehn Gebote, Hilde.
Die
halte. Denn die haben
alles:
den ewigen Gott und den Feiertag, und du sollst Vater und Mutter ehren, und haben das
Gesetz
, das uns hält und ohne das wir schlimmer und ärmer sind als die ärmste Kreatur. Ja, Kinder, wir haben viel hohe Bergesgipfel; aber der, auf dem Moses stand, das ist der höchste. Der reichte bis in den Himmel... Und nun sagt mir zum Schluß, was heißt Sinai?«
    »Der Berg des Lichts«, fuhren beide heraus.
    »Gut. Und nun geht nach Haus und seid brav und liebet euch.«
     
Fünftes Kapitel
     
Hilde wird eingesegnet
    Und nun war die Woche vor Palmsonntag, wieder ein Dienstag, und die beiden Kinder hatten ihre letzte Stunde gehabt und wollten über den Kirchhof zurück. Aber es ging nicht, wie sie bald sehen mußten, denn überall stand Wasser um die Gräber her, und der Wind, der seit Tagesanbruch wehte, hatte noch nicht Zeit gehabt, die Lachen und Tümpel wieder auszutrocknen. So gingen sie draußen entlang, einen schmalen Weg hin, wo Steine lagen und zu beiden Seiten eine Stechpalmenhecke grünte. Hier pflückte sich Hilde ein paar von den blanken Blättern, hielt sie sich vor und sagte: »Sieh, Martin, wie hübsch es kleidet. Aber nächsten Sonntag – und das sind bloß noch fünf Tage –, da krieg ich einen ordentlichen Strauß, mit Blumen aus dem Treibhaus oben. Denn Grissel kennt den Gärtner, und ist noch Verwandtschaft von ihr.«
    »Einen Strauß aus dem Glashaus oben«, wiederholte Martin. »Oh, das ist hübsch! Aber die Leute werden wieder sagen: Ei, seht die Heidereiters mit ihrer Hilde: die möchten am liebsten eine Gräfin aus ihr machen.«
    »Ist es so, wie du sagst, dann will ich keinen Strauß.«
    »Ach, du mußt dich nicht an das Gerede der Leute kehren.«
    »Ich kehre mich aber daran und will nicht, daß sie nach mir hinsehen und zischeln. Und wenn ich gar einen sehe, der mich beneidet, dann ist's mir immer wie ein Stich und als fiele mir ein Tropfen Blut aus dem Herzen. Und ist ganz heiß hier und tut ordentlich weh. Hast du das auch?«
    »Nein, ich hab es nicht. Ich hab es gern, wenn mich einer beneidet.«
    Und so plaudernd, waren sie bis an die

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