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Ellernklipp

Ellernklipp

Titel: Ellernklipp Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Birkenbrücke gekommen und blieben stehen, um das angeschwollene Wasser unter dem kleinen Holzjoche hinbrausen zu sehen. Allerhand braune Blätter und Rindenstücke tanzten auf dem Gischt umher, und die großen Steine, die sonst mit ihrer Oberhälfte trocken lagen, waren heute überschäumt.
    Hier standen sie lange, den Blick immer nach unten gerichtet, bis Martin wie von ungefähr aufsah und auf kaum hundert Schritte den Heidereiter in einem unsteten Gange herankommen sah. Er ging hart am Bache hin und trug sein Gewehr am Riemen über die linke Schulter, seinen Hut aber nahm er oft ab und wischte sich die Stirn mit seinem Sacktuch, was alles darauf hindeutete, daß er in großer Erregung war.
    »Sieh, der Vater«, sagte Martin und wollte ihm entgegeneilen. Aber Baltzer, als er dessen gewahr wurde, winkte ihm heftig mit der Hand, zum Zeichen, daß er bleiben solle, wo er sei, und schritt, ohne sich weiter umzusehen, rasch auf das Haus zu. Der braune Jagdhund, der ihm folgte, senkte den Kopf ins nasse Gras und tat auch, als ob er die Kinder nicht sähe.
    »Was ist das?« sagte Martin. »Komm.«
    Aber Hilde hielt ihn fest und sagte: »Nein, bleib.«
    Und so blieben sie noch und gingen endlich, statt ins Haus, auf ihrem früheren Wege bis an die Kirchhofsmauer zurück. Da setzten sie sich auf eine niedrige Stelle, gerade da, wo die Stechpalmenhecke war, und sprachen kein Wort.
    Und nicht lange, so sahen sie, wie der Vater über die Brücke kam, und weil sie sich vor ihm fürchteten, traten sie hinter die Hecke zurück, um nicht gesehen zu werden. Aber sie selber sahen ihn. Er hatte seinen Stutzhut auf und den Hirschfänger umgeschnallt, und aus allem war ersichtlich, daß er aufs Schloß hinauf wollte. Beide sahen ihm ängstlich nach, und erst als seine breite Gestalt auf dem Schlängelwege verschwunden war, kamen sie wieder aus ihrem Versteck hervor.
    Auf der Diele trafen sie Grissel, die vor sich hin sprach und dem Hühnerhunde Brot einbrockte. Der aber ging immer nur um die Schüssel herum und begnügte sich, ein paar Fliegen zu fangen, die hin und her summten. Und dann schlich er auf das Rehfell zu, das neben der Hoftür lag, streckte sich aus und klappte verdrießlich mit den Ohren.
    »Was ist, Grissel?« fragte Martin.
    »Was ist? Er hat den Maus-Bugisch über den Haufen geschossen.«
    »Tot?«
    »Versteht sich. Er wird ihn doch nicht halb totschießen. Das ist gegen die Regel. Dein Vater tut nichts Halbes.«
    »Um Gottes Barmherzigkeit willen!« schrie Hilde, fiel in die Knie und betete vor sich hin: »Vater unser, der du bist im Himmel.« Und in ihrer furchtbaren Angst betete sie weiter, bis die Stelle kam: »Unser täglich Brot gib uns heute.«
    Da riß Grissel sie heftig auf und sagte: »Was, täglich Brot! Als ob du's nicht hättest! Du
hast
dein täglich Brot; und wenn du beten willst, so bet ums Rechte. Hier aber ist nichts zu beten. Er wollte deinem Vater ans Leben, und ist nun die dritte Woch, daß er's ihm zugeschworen. Aber der war flinker und fragt nicht lang und spaßt nicht lang. Ja, das hat er noch von den Soldaten her. Und ich sage dir, Hilde, das ist nun mal nicht anders, und mußt dich dran gewöhnen. Denn du bist hier in eines Heidereiters Haus, und da heißt es: er oder ich. Und wie steht es denn in der Bibel? Aug um Auge und Zahn um Zahn.«
    »Und liebet eure Feinde.«
    »Ja, das steht auch drin. Und für den, der's kann, ist es gut genug. Oder vielleicht auch besser oder vielleicht auch ganz gewiß; denn ich will mich nicht versündigen an meinem Christenglauben. Aber was ein richtiger Heidereiter ist, der hält auf den Alten Bund und aufs Alte Testament. Und warum? Weil es schärfer ist und weil er's jeden Tag erfahren muß: Wer leben will, der muß scharf zufassen... Und nun komm, Hildechen, ich will dir ein Glas Wein geben, von dem ungerschen, den du so gern hast, und er wird nichts dagegen haben. 's ist ja für
dich
. Und dann mußt du wissen, so was kommt auch nicht alle Tag... Aber sieh nur, da bringen sie ihn schon.« Und sie wies vom Fenster aus auf eine Stelle, wo der Buschweg, der neben dem Bache hinlief, in den großen Fahrweg einbog. Aber Hilde, die wie gestört war, wollte nichts sehen und lief auf die Hoftür zu, wo der Hühnerhund lag, und bückte sich und umarmte das Tier. Und der Hund, der wohl wußte, was es war, weimerte vor sich hin und fuhr ihr mit der Zunge über Stirn und Gesicht.
    Inzwischen waren Grissel und Martin von der Stube her auf die Vortreppe gegangen und

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