Elli gibt den Loeffel ab
diese Möglichkeit hatte Elli noch gar nicht gedacht. So, wie Roberto sich ihr gegenüber verhalten hatte, war sie sich nicht sicher, ob Paolo die Sache nicht etwas zu optimistisch sah.
»Paolo, Anja möchte dich sehen.«
Wenn man vom Teufel sprach. Roberto stand an der Tür zum Klinikgebäude und winkte in ihre Richtung. Sein Sohn strahlte übers ganze Gesicht und eilte hinein.
Dorothea hatte nur einen einzigen kurzen Blick durch die halb geöffnete Tür in das Zimmer ihrer Tochter erhaschen können, als die Krankenschwester Anja etwas zu trinken brachte. Roberto klebte förmlich an ihrer Schulter und wirkte unendlich erleichtert darüber, dass Anja bereits wieder aufrecht im Bett saß. Mit den Pflastern am Kopf und dem Verbandsmaterial an den Händen sah sie aber immer noch ziemlich jämmerlich aus. Immerhin war Paolo an ihrer Seite. Anja hielt seine Hand und unterhielt sich mit ihm. Ihr ging es also schon wieder deutlich besser. Dorothea fiel ein Stein vom Herzen.
»Ich bin ja so froh. Das hätte ich mir niemals verziehen.« Auch Roberto atmete auf. »Ich war so wütend auf Paolo und... jetzt, wo ich die beiden so sehe. Ich hätte mich da niemals einmischen dürfen. Das wäre alles nicht passiert, wenn ich nicht so ein vernagelter Dummkopf wäre.«
Er sah aus, als ob er es ehrlich meinte, aber wenn sich jemand etwas vorzuwerfen hatte, dann sie.
»Nein, es ist meine Schuld. Ich wünschte, ich könnte unser letztes Gespräch rückgängig machen. Wenn ich doch bloß nicht so eine miserable Mutter wäre. Dann müsste Anja jetzt nicht hier hegen.«
Roberto zuckte mit immer noch hängenden Flügeln die Schultern und rang sich ein Lächeln ab. »Willkommen im Club der miserabelsten Eltern der Welt.«
Dorothea konnte nicht anders, als befreit aufzulachen, teils über Robertos überraschend selbstironischen Humor, der ihm sehr gut zu Gesicht stand, teils über sich selbst. Erstaunlich, wie sich die Ausstrahlung und das ganze Wesen eines Menschen von jetzt auf gleich verändern konnten. Roberto wirkte nun nicht mehr wie der große Tycoon, der die Puppen tanzen ließ, sondern wie ein Mensch. Auch sein Lächeln hatte nichts Aufgesetztes mehr.
»Ich finde, wir sind den beiden etwas schuldig.«
Dorothea verstand sofort, worauf er hinauswollte. Wenn es überhaupt noch möglich war, Anja zu beweisen, dass sie ihre Tochter liebte, dass sie sie aus den falschen Gründen zeit ihres Lebens schlecht behandelt hatte, dann gab es jetzt die ideale Gelegenheit dazu.
»Ich finde, Anja und Paolo sollten ihre Chance bekommen. Du musst mich nicht mehr auszahlen. Aber du könntest mir mit den Behördengängen helfen.«
»Nein!«, erwiderte er zu Dorotheas großer Überraschung. »Ich werde die Casa Bella für die beiden kaufen. Elli und du, ihr sollt nicht leer ausgehen.«
Dorothea traute ihren Ohren nicht. Saulus wurde zum Paulus, und er meinte es anscheinend auch noch ernst.
»Das ganze Geld... Was habe ich schon davon, wenn ich meinen Sohn verliere.«
Damit brachte er die Sache auf den Punkt! Das Gleiche konnte sie über sich und Anja sagen.
Was für ein wunderschöner Morgen! Das Blau des Himmels wirkte noch intensiver, die Sonne noch strahlender, das Grün noch satter, das Meer noch idyllischer und der sanfte Fahrtwind, der durch die heruntergekurbelten Fenster von Fabrizios Panda wehte, noch erfrischender als sonst. Es fehlte nur noch, dass weiße Tauben um sie herumflatterten. Zumindest stellte sich Elli dies gerade vor.
Richtig idyllisch, friedlich, und dies auch noch an der Seite ihrer Schwester, die am Steuer des Wagens saß, den ihnen Fabrizio netterweise geliehen hatte. Die Aussprache mit Anja hatte Doro sichtlich gutgetan. Noch gestern Nacht hatten die beiden in der Klinik eine halbe Ewigkeit miteinander geredet, und wie es aussah, durfte Anja heute Nachmittag sogar schon wieder nach Hause — im wahrsten Sinne des Wortes, denn die Casa Bella würde mit dem Segen ihrer Mutter wohl zum neuen Zuhause ihrer Nichte werden. Menschen, die sich einen seit vielen Jahren aufgestauten Frust von der Seele reden konnten, veränderten sich auch rein äußerlich. Wie steif Doro immer gewirkt hatte, fast eine Spur kantig, aber auch in ihren Bewegungen. Ständig unter Strom, gehetzt, fast wie eine Ameise, die sich keine Sekunde Ruhe gönnte. Wie entspannt saß sie dagegen nun neben ihr.
Wohin die Fahrt gehen sollte, hatte Doro ihr jedoch verschwiegen. Angeblich wollte sie ihr etwas zeigen, was ihr sehr am Herzen lag.
»Meinst
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