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Elli gibt den Loeffel ab

Elli gibt den Loeffel ab

Titel: Elli gibt den Loeffel ab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tessa Hennig
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Sandwich mit Parmaschinken bitte«, gab sie ihre Bestellung auf Deutsch auf.
    »Gerne, signora«, erwiderte der Barmann in der Uniform der Fährgesellschaft und reichte ihr eines der Sandwiches aus der Glasvitrine.
    Rein damit! Elli war richtig ausgehungert und schlang das Brötchen regelrecht herunter, während sie die Mitreisenden beobachtete. Was um alles in der Welt wollten all diese Menschen auf Capri? Die Fähre war bis auf den letzten Platz besetzt. Vermutlich waren die meisten Passagiere Tagesausflügler, die sich unbedingt die Blaue Grotte ansehen wollten. Jedenfalls waren auffallend viele Japaner und Amerikaner darunter. Mehr als zwei Drittel, stellte sie fest, als sie den Blick über die blauen Stuhlreihen schweifen ließ. Moment mal, inmitten der japanischen Masse ragte ein Fremdkörper heraus. Hochgesteckte rote Haarsträhnen lugten über einem Sitz hervor. Sicherlich entbehrten Vorurteile gegenüber Frauen mit roten Haaren jeglicher rationalen Grundlage, aber Elli mochte sie nicht, was einzig und allein an ihrer Schwester Doro lag, die ebenfalls rotes Haar hatte.
    »Ihr Wasser«, meldete sich der Barmann zurück und reichte ihr das Glas.
    Die Fahrt dauerte noch gut eine halbe Stunde. Wie wäre es mit noch einem Eintrag in ihr Tagebuch? Es lugte aus der Tasche hervor und schien ihr förmlich zuzurufen: »Nimm mich heraus.« Sie blätterte es auf und las den Eintrag vom Tag zuvor. Um Himmels willen! Plötzlich wurde ihr klar, dass es ihr alles andere als gut gegangen war. Rabenschwarz klangen die Zeilen, aber was hatte der Lektor, dem sie es zu verdanken hatte, dass sie nie wieder hatte schreiben wollen, noch mal Vorjahren zu ihr gesagt? »Ein guter Autor muss durch die Tiefen des Lebens waten und sich an existenzielle Grenzen bringen, jeden Tag.«
    Das klang ziemlich anstrengend. Noch so einen Tag wie den vergangenen wollte sie jedenfalls nicht am laufenden Band erleben. Es ließ sich zudem kaum leugnen, dass viele der besten Autoren dem Alkohol nicht abgeneigt waren und zahlreiche Abstürze hinlegten. Aber dies galt wohl für viele Künstler. Am Ende hatte der Miesepeter sogar recht? Ihr gefiel jedenfalls, was sie da geschrieben hatte. Es klang lebendig, und letztlich fühlte sie sich trotz aller Strapazen so lebendig wie seit langem nicht. Neapel zum Anfassen, jedenfalls aus gestriger Sicht. Wie schön, dass es so etwas wie ein Tagebuch gab.

    »Dieses verdammte Neapel!«, fluchte Dorothea leise vor sich hin. In den Straßen hatte es gestunken wie die Pest, genau wie früher, als ihre Eltern sie Jahr für Jahr dazu gezwungen hatten, Urlaub auf Capri zu machen. Gut, dass die Stadt seit gut einer halben Stunde am Horizont verschwunden ist, dachte sie beim Blick aus dem Fenster der Fähre und sah den Schaumkronen zu, die am Bug des Schnellbootes entlangsprudelten. Vermutlich hatte sie deshalb keine Lust mehr verspürt, in Italien Urlaub zu machen. Von wegen Bella Italia. Nur ein einziges Mal hatte sie sich von ihrem Exmann Werner dazu verleiten lassen, gemeinsam mit Anja in Caorle einen Kurzurlaub zu verbringen. Wie man das eben so machte, wenn die Kinder noch zu klein für Flugreisen waren und sich schon mit ein paar Quadratzentimetern Strand zufriedengaben.
    Was bildeten sich diese Halsabschneider in den Touristenorten überhaupt ein? In jedem Land der Welt bezahlte man ein Zimmer und keine verdammte Kopfpauschale. Pro Nase hatte der Spaß seinerzeit einhundert Mark gekostet. Das waren schlappe dreihundert für das schier ungenießbare Essen, eine Dusche, die nur aus einem Duschkopf und einem Loch im Boden bestand, und Betten, die noch mit Sprungfedermatratzen ausgestattet waren. Dazu bestes Sardinen-Feeling am Strand, umgeben von Österreichern, die im breitesten Schmäh ihre Alltagsprobleme debattierten. Dies war das wahre Gesicht von Bella Italia! Immerhin war sie auf dem Weg vom Flughafen in Neapel bis zur Anlegestelle der Fähre in den Genuss eines vollklimatisierten Taxis gekommen. Allein die paar Meter bis zum Ticketschalter hatten sich als Zumutung für ihre empfindliche Nase erwiesen. Und jetzt auch noch diese Fährfahrt, umringt von unentwegt kichernden Japanern.
    »Excuse me!« Doro bahnte sich einen Weg durch die Gruppe. Sie ertrug das Gekicher einfach nicht mehr, und sich die Füße ein wenig zu vertreten, konnte nicht schaden — trotz des Wellengangs. Ein Amaretto an der Bar, die nur wenige Meter entfernt war, würde ihre angegriffenen Nerven sicher wieder beruhigen. Bei dem Wellengang

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