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Elli gibt den Loeffel ab

Elli gibt den Loeffel ab

Titel: Elli gibt den Loeffel ab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tessa Hennig
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Wasser wieder auf die Beine gebracht. Nun gab es nur noch sie und das Meer. Richtig idyllisch, wie die kleinen Fischerboote geschmeidig auf den silbern glitzernden Wellen tänzelten.
    Unter anderen Umständen ließe es sich hier sicher sehr gut aushalten. Wenn Josef noch da wäre, würden sie an diesem lauen Sommerabend in einem der Restaurants direkt am Wasser sitzen und bei Kerzenlicht die feinste neapolitanische Küche genießen. Dummerweise stellte sich bei diesem Gedanken erneut Hunger ein. Vielleicht sollte sie noch einen Cappuccino mit viel Zucker trinken? Milch sättigt bekanntlich. Außerdem gab es in den meisten Bars etwas zu knabbern zu den Getränken dazu. Bergab war eines der Restaurants schnell erreicht. Wie das Essen duftete, als sie sich setzte. Selbst für eine Portion Spaghetti Bolognese, die der Ober vor ihrer Nase an einen Tisch mit Touristen in bester Feierlaune trug, würde sie jetzt einfach alles geben. In solch einer verwegenen Situation konnte man schon mal auf den Gedanken kommen, ein Schmuckstück als Zahlungsmittel anzubieten.
    »Nein, die eine Nacht überstellst du!«, sagte Elli zu sich selbst. Trotzige Durchhalteparolen zu schwingen war das Einzige, was ihr jetzt noch helfen konnte. Die freien Tische waren begehrt. Einen Platz für Stunden zu belegen und dabei nur an einer einzigen Tasse Cappuccino zu nuckeln wurde sicherlich nicht gern gesehen. Gut, dass sie ihr Tagebuch dabeihatte. Zum einen ließ sich damit die Zeit gut totschlagen, zum anderen erweckte sie so vielleicht den Eindruck einer Intellektuellen, die in einen Schreibrausch verfallen war und darüber ganz vergessen hatte, etwas zu essen zu bestellen. Hoffentlich war dies die richtige Strategie, um sie vor einem sanften Rauswurf zu bewahren. Der Kugelschreiber lag diesmal überraschend ruhig in der Hand. Er fühlte sich gut an.
    Liebevoll fuhr Elli über die leere Seite, ganz entspannt. Was für ein merkwürdiges Gefühl, nicht zu wissen, was man schreiben will, und dennoch die Gewissheit zu haben, dass eine Flut von Gedanken, Gefühlen und Eindrücken nur darauf wartete, ihren Weg auf die leere Seite zu finden, ganz von allein, wie von unsichtbarer Kraft diktiert. Elli genoss dieses Gefühl der Vorfreude, der Neugierde auf das, was sie wohl schreiben würde, und als sie damit begann, schien die Welt um sie herum zu verstummen. Es gab nur noch ihre Hand, das Papier und den Kugelschreiber, der sich mit jedem Wort, das aus ihr herausfloss, immer vertrauter anfühlte.

    Einsam inmitten einer nimmermüden, sprudelnden Lebensquelle. So viel Lebensfreude und Bewegung. Tausende Herzen schlagen im Takt der vielen Motoren , die die Straßen verstopfen. Mein Herz hat keinen bestimmten Takt. Ich laufe gegen den Rhythmus einer Stadt. Mein Koffer fühlt sich an wie eine Fußfessel, dabei will ich gar nicht fliehen. Geduldig fliehe ich dennoch vor den Engeln und Teufeln. Meine Füße tragen mich zu einer Festung, obwohl die Seele schon so schwer geworden ist. Bin allein. Seit langem schon.
    Es fühlt sich vertraut an.
    Wie lange habe ich nicht mehr an diesen Schmerz gedacht, ihn nicht mehr gefühlt? Jetzt sticht er auf mich ein. Daran kann weder das Azurblau des Himmels noch der ewige Tanz der Wellen etwas ändern. Sie sagen mir, dass ich dazugehöre, fordern mich auf, mitzutanzen, aber meine Füße sind dazu schon zu müde. Immerhin geben sie mir die Gewissheit, dass sich alles bewegt, dass auch ich mich bewege, obwohl ich gar nicht mehr weiß, wohin oder warum.
    Ich bin eine Suchende. Möchte wieder den Takt finden, irgendeinen Rhythmus, der mich treiben könnte, durch den Alltag, durch die Tage, Monate und Jahre. Möchte wieder mittanzen, unbeschwert und genauso leichtfüßig wie die vielen lächelnden Herzen dieser Stadt.

    Morgendliche Frische hatte einen faden Beigeschmack, wenn einem das Kreuz weh tat und man nicht mehr wusste, wie man sich aufsetzen sollte. Die ersten Sonnenstrahlen bahnten sich ihren Weg durch einen Rosenbusch, den der Wind sanft hin- und herbewegte. Das Restaurantviertel war menschenleer, Katerstimmung lag in der Luft. Ein Wirt entleerte lautstark einen Eimer mit Abwasser. Aber erst der Lärm der knatternden Motorräder, der von der Hauptverkehrsstraße zu ihr herüberdrang, schaffte es, Elli dazu zu bewegen, sich zumindest einmal aufzusetzen. Willkommen in Neapel!
    Dabei ist doch New York die Stadt, die angeblich niemals schläft, überlegte sie, immer noch schlaftrunken. Der nächtliche Charme des Hafenviertels

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