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Elli gibt den Loeffel ab

Elli gibt den Loeffel ab

Titel: Elli gibt den Loeffel ab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tessa Hennig
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durchsetzte, war Dorothea ein Rätsel. Dennoch tat der warme Wasserstrahl gut. Er entspannte, und für einen Moment trat so etwas wie Ruhe ein. Allerdings überkam sie auch ein überraschend schlechtes Gewissen. Die ganze Aufregung um den Brief, der hektische Aufbruch, ihre vielen Projekte, die sie hinten anstellen musste, und nicht zuletzt die stressige Reise hatten sie so sehr auf Trab gehalten, dass sie Elli nicht einmal danach gefragt hatte, wie es ihr mit der Videothek erging.
    Elli war immerhin ihre Schwester, und gerade das Dejä-vu bei der Wahl der Bettseite hatte ihr offenbar unbewusst einen ganzen Strom an guten Erinnerungen entlockt. Trocknete sie sich deshalb so gemächlich ab? Kostete sie etwa melancholische Anwandlungen aus, die sie an sich gar nicht kannte? Auf alle Fälle blieb ihr so genügend Zeit, um sich längst vergessenen Gefühlen hinzugeben. Solange Fabrizio nicht auftauchte, konnte sie sich diesen Luxus sogar leisten.
    »Weißt du eigentlich noch, wann wir uns das letzte Mal gesehen haben?«, fragte sie, als sie sich frisch umgezogen zu ihrer Schwester auf die Terrasse setzte.
    »Auf Mamas Beerdigung«, sagte Elli ohne nachzudenken. »Vor acht Jahren, um genau zu sein.«
    Nun war die Stimmung auf einen Schlag noch friedlicher als erhofft. Friedhofsstille! Ein wachsendes dumpfes Gefühl im Bauch setzte ein — trotz der grandiosen Aussicht auf purpurfarbene Blüten, die an einer Felswand vor ihr sprießten und die kleinen Häuschen am Hang malerisch umrankten.
    »Eigentlich eine Schande«, setzte Elli nun auch noch nach.
    Was sollte sie darauf bloß sagen?
    »Wir haben uns einfach aus den Augen verloren... Ich war viel unterwegs. Mein Job...«, log sie. Natürlich gab es einen Grund, weshalb sie Elli nicht mehr hatte sehen wollen, erst recht nicht nach Josefs Tod.
    »Das Ganze ist doch schon viel früher eingeschlafen.« Elli sah ihr direkt in die Augen.
    Hatte sie etwa tatsächlich darunter gelitten, dass sie sich so lange nicht gesehen hatten? Kaum vorstellbar.
    »Ich hab das nie verstanden. Gut, wir haben uns schon immer gestritten, aber so richtig ernst war es nie. War da etwa mal was, von dem du mir nie erzählt hast?«, bohrte Elli nach.
    Nicht hier und jetzt. Alte Wunden, die noch dazu bereits vernarbt waren, riss man nicht mit Gewalt wieder auf. »Du hättest dich doch auch melden können.« Den schwarzen Peter musste sie so schnell wie möglich abgeben.
    »Doro. So oft, wie du mich von deiner Sekretärin hast abwimmeln lassen. Ich weiß nicht, wie viele Stunden ich dir in all den Jahren auf den Anrufbeantworter gesprochen habe, und alles, was zurückkam, waren Pflichtanrufe zu Weihnachten, Ostern und zum Geburtstag.«
    Natürlich hatte Elli recht, aber sie hatte es auch nicht anders verdient. Ihrer Schwester nach so vielen Jahren einzuschenken, dass sie ihr die Schuld an ihrem verkorksten Leben und vor allem an ihrer miesen Ehe gab, würde Fässer von der Tiefe des Pazifiks aufmachen, und dazu hatte sie momentan weder Lust noch die Nerven.
    »Solche Dinge passieren nun mal. Man lebt sich auseinander. Du warst in deiner Kinowelt, und ich habe mich mit meinem Diktiergerät im Großstadtdschungel durchgeschlagen. Das hat eben einfach nicht mehr zusammengepasst, verstehst du?«
    Wieder nicht die Wahrheit, aber eine theoretisch glaubhafte Ausrede. Hoffentlich schluckte Elli sie. Warum auch nicht? Immerhin war diese Pille ziemlich geschmacksneutral. Ihrer Schwester reinen Wein einzuschenken hätte nach Zyankali geschmeckt und vermutlich auch so gewirkt.
    Elli nickte, offenbar tief in Gedanken versunken und irgendwie traurig.
    Dann das erlösende Klingeln des Telefons. Fabrizio!

    Die Osteria des alten Pedro war der ideale Treffpunkt. Abseits des Ortskerns gelegen, nachmittags so gut wie keine Gäste und mit den gemütlichen Nischen verwinkelt genug, um diskrete Gespräche führen zu können. Dorothea und Eleonore in der Casa Bella zu treffen, wäre ein Ding der Unmöglichkeit. Dessen war sich Fabrizio sicher. Erst recht nach de Andres unmissverständlicher Drohung, seiner Nichte etwas anzutun. Er durfte auf gar keinen Fall mit den beiden Deutschen in Verbindung gebracht werden. In einer derart delikaten Angelegenheit musste man vorsichtig sein. Ihnen seine Adresse im Brief mitzuteilen und sie nicht zunächst in einem anderen Hotel einzuquartieren, auch wenn es umständlich war, wäre viel zu riskant gewesen. Entweder hätten sie ihn gleich kontaktiert, zumindest telefonisch, und ihm

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