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Elli gibt den Loeffel ab

Elli gibt den Loeffel ab

Titel: Elli gibt den Loeffel ab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tessa Hennig
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zählte, war die Realität, nackt und unbeschönigt. Nur schien ihre Schwester dies stoisch zu negieren, und das Schlimme daran war, dass sie damit auch noch durchkam. Vielleicht war es aber auch nur eine Form von Eskapismus, zumindest jetzt. Immerhin hatte Elli vor einer Stunde erst erfahren, wer ihre Mutter wirklich war. Schon wieder lächelte ihrer Schwester ein Ober zu. Es war derselbe, der ihr selbst noch vor zehn Minuten gehetzt und ohne sie zu beachten einen caffè latte auf den Tisch gestellt hatte. Nun ja, vielleicht stand er nicht auf rothaarige Frauen mit Sommersprossen und fahler Haut.
    »Ich reiße dich ja nur ungern aus deinen Träumen, aber ich kann es mir beruflich nicht leisten, hier einfach nur so herumzusitzen.« Sie kramte Fabrizios Brief aus ihrer Tasche. »Wenn der uns verarscht, dann gnade ihm Gott!«
    Hektisch signalisierte sie dem Ober, indem sie mit ihrem Portemonnaie wedelte, dass sie zu zahlen gedachten. Je eher sie diese ominöse Villa Palma fanden, die ihnen Fabrizio als Treffpunkt vorgeschlagen hatte, desto besser.

    Elli stellte erstaunt fest, dass man mittlerweile auf ziemlich komfortable Art in den oberen Teil der Stadt gelangen konnte. Es war nur noch ein Katzensprung mit der funicolare, einer modernen Seilbahn, die vom Hafen aus gut zu erreichen war. Im Nu erhob sich das an die Steigung des Berges angepasste Gefährt und glitt geschmeidig über die Dächer der Unterstadt durch eine palmgesäumte Schneise nach oben.
    Was für eine grandiose Aussicht auf das Meer und die malerischen Häuser, die sich rund um den Hafen rekelten. Allerdings musste sie sich strecken, um einen Blick darauf zu erhaschen. Aufgrund der langen Wartezeiten hatten sich mit Sicherheit mehr Leute in die Bahn gepresst, als erlaubt waren. Die Lücke zwischen zwei sich ständig hin und her bewegenden Köpfen eines sich rege unterhaltenden Paares zu erwischen war nicht gerade einfach.
    »Ich hab mich immer schon gefragt, wie sich eine Ölsardine in der Büchse fühlt. Eng, laut, heiß und überfüllt. Eben Bella Italia!«, warf ihre Schwester brottrocken ein und erntete für diesen Satz betretene Blicke von Touristen, aber auch von Einheimischen, die sie offenbar verstanden.
    Eine Runde Fremdschämen stand auf dem Programm. Doro war es auch früher schon ziemlich egal gewesen, was andere von ihr dachten, spätestens jedoch ab der Pubertät. Eigentlich ein Zug, um den Elli sie ein wenig beneidete. Dass sie in den letzten Jahren noch einen Tick zynischer geworden war, darum beneidete sie ihre Schwester allerdings nicht. Wurde man automatisch so, wenn man für das Feuilleton einer großen Zeitung arbeitet?
    »Schau mal, die kleinen Boote am Hafen. Die sehen doch aus wie gemalt.«
    Vielleicht musste man sie ja nur auf das Schöne aufmerksam machen. Immerhin hatte Elli es geschafft, dass Doro einen Blick hinunter zur Bucht riskierte. Sie erntete ein beiläufiges Nicken, was übersetzt so viel hieß wie, dass ihre Schwester den Anblick wohl auch für wunderschön befand.
    »Frischluft!« Doro japste theatralisch, als ob sie gerade knapp dem Erstickungstod entronnen wäre.
    Jetzt waren es nur noch ein paar Treppen nach oben, zur Piazzetta, dem eigentlichen Herz Capris. Dort hatten sie mit ihren Eltern jeden Abend eine Runde gedreht. Sehen und gesehen werden, lautete das Motto. Tagsüber war, vermutlich wegen der Mittagshitze, jedoch noch nichts von der mediterranen Gemütlichkeit zu spüren.
    »Hast du eine Ahnung, wo dieses Hotel sein könnte?«, fragte sie Doro. »Hoffentlich nicht zu weit weg von hier. Ich habe nämlich keine Lust auf eine Bergtour mit meinem Koffer.«
    Vermutlich hätte Doro ihre gestrige Gewalttour durch Neapel gar nicht überlebt — mit dem Riesenkoffer, in dem man bequem eine Leiche hätte verschwinden lassen können, ganz sicher nicht. In dem Moment bahnte sich ein kleines gelbes Transportfahrzeug, voll beladen mit Gepäck, hupend seinen Weg durch die Menge und tuckerte in Richtung der höher gelegenen Hotels.
    »Wir könnten doch den Transportdienst nehmen.«
    »Bist du verrückt? Ich zahl doch keine zehn Euro für einen Kofferträger«, entrüstete sich Doro.
    »So teuer?«, fragte Elli ungläubig.
    »So stand es zumindest im Internet.«
    Doro auf Sparkurs? Das war doch gar nicht ihre Art. Angesichts des Verlustes ihrer Reserven an Bargeld, das mittlerweile vielleicht in Heinz’ Wohnmobil schon die Landesgrenze passiert haben dürfte, war es wohl besser, sich körperlich zu ertüchtigen. Also

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