Elli gibt den Loeffel ab
Eiskugel garantiert tiefer in den Sand drücken, wenn es um Geld ginge. Noch war nichts verloren. Vielleicht erwies sich alles sowieso nur als ein Hirngespinst von Fabrizio. Andererseits, der Mann in ihrem Traum: Alessandro. Warum fühlte sie sich zu ihm hingezogen? Warum hatte sie in ihrem Traum so viel Wärme verspürt und weit mehr Vertrautheit empfunden als jemals bei ihrem leiblichen Vater? Vielleicht redete sie sich das alles ja auch nur ein. Bloßes Wunschdenken! Ein dummer Alptraum, weiter nichts.
Elli beunruhigte dieser Gedanke so sehr, dass sie innehielt und sich mit der Haarbürste in der Hand im Spiegel der Kommode betrachtete. Allerdings sah sie, völlig in Gedanken, förmlich durch sich hindurch. Da waren sie wieder, die alten Sorgen. Falls sich das Erbe tatsächlich als Seifenblase entpuppte, hätte sie sich die Reise nach Capri sparen können. Dann hätte sie auch noch die letzten Finanzreserven aufgebraucht. Das Geld vom Sparbuch war ja bereits weg.
Ob Heinz ihr Lederetui in dem Chaos seines Wohnmobils jemals finden würde? Und wenn schon. Er konnte das Geld sicher gut gebrauchen. Elli beschloss, nicht mehr daran zu denken. Da fiel ihr Blick auf die kleine Schachtel, die Heinz ihr beim Abschied in Neapel gegeben hatte. Sie lugte aus ihrer Handtasche auf der Kommode hervor. Elli nahm sie heraus und betrachtete den kleinen Elefanten. Wo Heinz jetzt wohl war? Bestimmt schon in Sizilien oder auf der Überfahrt nach Afrika. Schade, auf einmal bereute sie es doch, nicht mit ihm gefahren zu sein. Die Pyramiden würde sie in diesem Leben wohl nicht mehr sehen.
»Am besten, ich gehe gleich mal zur Gemeinde und erkundige mich, welche Unterlagen wir bräuchten, um eine Vaterschaft nachzuweisen«, sagte Doro, die mit rot lackierten Fußnägeln aus dem Bad kam. »Wir sollten zumindest unsere Ansprüche anmelden. Kommst du mit?«
Elli schüttelte den Kopf. Wenn es darum ging, etwas herauszufinden, konnte sie ihrer Schwester sowieso nicht das Wasser reichen. Außerdem hatte Fabrizio ihnen vorgeschlagen, mit ihnen in die Casa Bella zu fahren. Er hatte ganz recht. Sie sollten sich ihr vermeintliches Erbe erst einmal gründlicher ansehen.
Es fühlte sich schon verdammt komisch an, nach drei Jahren »on the road« das Wohnmobil auf einem bewachten Parkplatz am Hafen zurückzulassen. Die Straßen waren jedoch zu eng, und die Insel war klein genug, um sie auch zu Fuß oder mit dem Taxi erkunden zu können. Außerdem erinnerte Heinz sich daran, dass Ausländern während der Saison selbst die Anreise mit einem Pkw verboten war. Oskar würde es auch guttun, wenn er einen ganzen Tag lang auf seinen vier Pfoten unterwegs war. Nichts liebte der Kleine mehr als Ausflüge mit seinem Herrchen.
Eigentlich hätte Heinz es sich schenken können, an der Piazetta nach der Pension aus Ellis Brief zu fragen. Oskar schien einen sechsten Sinn dafür zu haben, wo sich Elli auf hielt, jedenfalls zog er schon in die richtige Richtung, noch bevor der Einheimische ihm den Weg weisen konnte. Aber wer wusste schon, ob sie überhaupt nach Capri übergesetzt hatte. Vielleicht hatte Elli sich bei der deutschen Botschaft einen neuen Pass besorgt und war längst wieder in Deutschland? In diesem Fall würde er ihr Lederetui bei der Polizei abgeben. Heinz hoffte jedoch inständig, dass Elli noch hier war. Der Gedanke, sie wiederzusehen, beschleunigte seinen Puls. Es waren nur noch wenige Meter bis zum Hotel. Wenn Oskar sich nicht irrte, dann würde er sie hier finden.
Nachdem Doro sich auf den Weg ins Dorf gemacht hatte, genoss Elli die wärmenden Sonnenstrahlen. Sie saß mit der zweiten Tasse Kaffee und dem Rest des Frühstückes, das man ihnen auf dem Zimmer serviert hatte, auf der Terrasse ihres Zimmers. Was für eine friedliche Idylle. Nur das sanfte Rauschen der Blätter des Baumes vor ihr war zu hören. Einlullende Ruhe und besser als jeder Beruhigungstee. Da zerriss ein lautes Kläffen die Stille, allerdings schien es nicht von draußen, sondern aus ihrem Hotelzimmer zu kommen. Im nächsten Moment hörte sie ein hektisches Hecheln und Scharren an der Tür.
»Moment«, rief sie in Richtung der Tür.
Schlagartig wurde das Bellen lauter. Dazu gesellten sich hysterisches Winseln und eine Männerstimme.
»Oskar!«
Elli sprang auf und konnte die Tür auf einmal nicht schnell genug öffnen. Oskar schoss wie ein weißer Blitz auf sie zu, hüpfte an ihr hoch und tänzelte wie ein Derwisch um sie herum.
»Oskar, was machst du denn
Weitere Kostenlose Bücher