Elli gibt den Loeffel ab
niemand sie zu morgendlicher Konversation, was bei der lauten Musik des capresischen Radiosenders, die aus den Lautsprechern dröhnte, auch gar nicht möglich gewesen wäre.
Wie gut, dass die Zimmer in der Casa Bella ungefähr gleich groß waren. Das bedeutete kein Streit mit Doro, ganz im Gegenteil: Sie hatte Elli sogar gefragt, welches Zimmer ihr lieber sei. Vielleicht hatte ihre Schwester ja gemerkt, dass gestern wieder einmal die Pferde mit ihr durchgegangen waren. Ziemlich sicher sogar, so griesgrämig wie sie sich am späten Abend von ihr und Heinz zurückgezogen hatte.
Heinz, der in der Pension an der gedeckten Frühstückstafel auf sie wartete, war an diesem Morgen ebenfalls bestens gelaunt. Irgendwie hatte er es geschafft, aus der mittelalterlich anmutenden Espressomaschine der Casa Bella einen Kaffee zu zaubern, der Ellis Lebensgeister weckte. Frisch gestärkt mit leckerem Marmeladentoast, sah die Welt schon wieder viel freundlicher aus. Heinz rekelte sich wohlig und schien den Moment in vollen Zügen zu genießen.
»Strahlender Sonnenschein, eine schöne Terrasse, frischer Kaffee und Fabrizio holt uns noch Gebäck — was will der Mensch mehr?«, fragte er selbstzufrieden und reichte Oskar ein Stück Wurst aus der Dose.
Doro nippte genüsslich an ihrem Kaffee, lehnte sich mit geschlossenen Augen zurück und schien ebenfalls die wärmende Morgensonne zu genießen. Nach wie vor verlor sie kein Wort über den vergangenen Abend. Markant! »Ich frage mich, was die Pension wohl wert ist«, überlegte sie stattdessen laut.
»Das hängt immer davon ab, was man in die Immobilie hineinstecken muss, und natürlich vom Wert des Grundstücks«, meinte Heinz beiläufig, während er Oskar weiter fütterte.
»Was schätzt du?«, fragte Elli.
»Das Grundstück ist bestimmt jede Menge wert. Die Lage ist einmalig. Das Haus selbst... Ich weiß es nicht.« Heinz war mit dieser Frage anscheinend überfordert.
Da kam Fabrizio mit dem italienischen Gebäck zurück und hatte griffige Antworten auf ihre Fragen parat. »Das Haus ist ziemlich baufällig. Erst letztes Jahr hatten wir einen schlimmen Wasserschaden. Die Rohre sind ebenfalls alt.«
Seine Einschätzung ging dummerweise in eine Richtung, die ihr gar nicht behagte. Auch Doro schien die frische Brioche im Hals stecken zu bleiben. Das Hefeteilchen stand ungewollt für die heftigen Brocken, die sie gerade zu schlucken hatten.
»Das Meeresklima vertragen die Hausmauern leider nicht so gut, da bröckelt überall der Putz. Man müsste die Casa Bella komplett renovieren, auch wegen des Schimmels. Das ist schließlich nicht gesund.«
Elli überlegte, ob sie ihre Brioche genau wie Heinz in den Kaffee tunken sollte. »Schimmel hab ich gestern bei der Führung aber keinen gesehen«, wunderte sie sich.
»Kein Wunder. Hier in Italien bestellt man eben schnell Handwerker, die das dann einfach überstreichen.«
»Gibt es sonst noch etwas, das wir wissen sollten?«, fragte ihre Schwester, die mittlerweile versteift dasaß.
»Na ja, die Lage. Die heftigen Winde. Das Haus liegt recht ungünstig genau am Hang.«
»Also ich habe bis jetzt noch nichts davon gemerkt«, erwiderte Elli und wische sich demonstrativ gleich den Schweif? von der Stirn.
»Vor allem im Herbst und im Winter. Außerdem gibt es keine vernünftige Heizung.«
»Damit können wir das Gebäude abschreiben. Sehe ich das richtig, Fabrizio?« Doro sah äußerst desillusioniert aus.
»Man muss eben ein bisschen investieren, aber ich kann verstehen, wenn euch das zu viel wird.«
Immerhin rückte er jetzt mit der Wahrheit heraus. Gestern hatte er kein Wort darüber verloren. Im Gegenteil. Hatte er nicht versucht, ihnen die Pension als gute Einnahmequelle schmackhaft zu machen? Warum machte er jetzt alles regelrecht madig? Elli rekapitulierte noch mal: Sie hatten ihm deutlich zu verstehen gegeben, dass sie die Pension, sofern sie sie überhaupt erbten, nicht halten konnten. Sosehr sie auch überlegte, sie konnte sich auf Fabrizios Sinneswandel keinen Reim machen.
»Und das Grundstück?«, fragte Doro. »Das ist doch eine traumhafte Lage hier.«
Noch bevor Fabrizio etwas erwidern konnte, schaltete sich Heinz ein. »Darüber brauchen wir ja wohl gar nicht erst zu reden. Capri — der Inbegriff von Bella Italia. Die Insel ist nur etwa zehn Quadratkilometer groß. Platz ist knapp. Und das hier ist ein riesengroßes Grundstück mit einer Zitronenplantage darauf.«
Fabrizio schien diese Einschätzung nicht so recht zu
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