Elli gibt den Loeffel ab
das Doros Hohlkreuz alles andere als kaschierte und ihren Hintern überproportional betonte, eine ziemlich diplomatische Antwort.
»Und? Kann ich es anziehen oder nicht?«, insistierte ihre Schwester.
»Doro, der Empfang ist kein Faschingsball, und ich glaube nicht, dass sie dich als Daisy Duck reinlassen.«
Sofort tänzelte Doro zu dem Spiegel an der Garderobe und musterte sich von allen Seiten. »Mein Gott! Du hast recht. Ich habe ja einen richtigen Pferdehintern.«
»Das hast du gesagt«, stichelte Elli vergnügt und amüsierte sich darüber, wie ihre Schwester den Stoff des Kleides an ihrem Entenbürzel vergeblich zurechtzupfte.
»Was ziehst du eigentlich an?«, fragte Doro sie.
»Ich habe nichts dabei. Ich gehe so, wie ich bin.«
»Auf einen Empfang? Hast du überhaupt eine Ahnung, wie sich die Italienerinnen für so etwas aufdonnern?«
»Na, und wenn schon. Es ist ja geschäftlich. Ich glaube nicht, dass sich Roberto de Andre für unsere weiblichen Reize interessieren wird.«
»Trotzdem... Ich ziehe wohl besser mein blaues Kostüm an«, sinnierte Doro.
Warum war ihre Schwester nur so aufgekratzt? Normalerweise hielt sie nichts von Empfängen, auf denen sie aus beruflichen Gründen oft genug herumstehen musste. Aber in Italien griffen ihre Prinzipien offenbar nicht.
»Das ist bestimmt ein Graf. Irgend so ein schwerreicher Capreser. In solche Kreise kommt man ja normalerweise nicht rein«, schwärmte sie.
»Schreib doch eine Reportage darüber«, erwiderte Elli trocken.
»Ach, Elli, jetzt sei doch nicht so unromantisch.« Doro stürmte aus dem Zimmer. Rein geschäftlich würde der Empfang in de Andres Villa sicherlich nicht, zumal Doros Flirt-Motor eben anscheinend angesprungen war. Es war schon erstaunlich, welche romantischen Energien Italien in ihrer Schwester weckte. Vielleicht lag Doros Begeisterung aber auch daran, dass sie als geladene Journalistin sonst immer nur Zaungast auf Empfängen und Society-Treffen war, ein geduldetes Übel, das über die Feiernden berichten musste. Einmal selbst und rein privat eingeladen zu sein, hatte sicher einen ganz anderen Stellenwert.
Irgendwie war Doros Ausgelassenheit ansteckend. Elli ertappte sich dabei, wie sie sich nun doch in ihrem Schrank nach etwas anderem zum Anziehen umsah, aber egal, was sie herauszog, damit konnte sie unmöglich auf einen Empfang gehen. Vielleicht sollte sie sich in der Stadt noch schnell eine passendere Robe besorgen?
Armani, Versace oder Valentino? Die sündhaft teuren Versuchungen in den Auslagen der Edelboutiquen luden zum Träumen ein. Elli hätte eine solche Auswahl auf einer kleinen Urlaubsinsel gar nicht erwartet, aber auf Capri war alles anders. Die Via Camerelle zweigte direkt von der Piazzetta ab, und Elli glaubte sich in einer Miniaturausgabe der Champs-Elysees im Hochsommer.
Wann war sie das letzte Mal shoppen gewesen? Es musste Jahre her sein, vermutlich mit Josef. Ja, es war sogar ganz sicher mit ihm gewesen, und zwar an der Croisette. Er hatte ihr ein Abendkleid für den Gang über den roten Teppich gekauft. Wie ein Star hatte sie sich dann gefühlt, jedenfalls bis zu dem Moment, in dem ihr Kleid riss und das Blitzlichtgewitter nicht ihrem Outfit, sondern ihrer Unterwäsche gegolten hatte. Das musste 1982 gewesen sein, in dem Jahr, als das Palais eingeweiht worden war und das alte Casino abgelöst hatte.
Genau so ein Kleid lächelte sie nun aus dem Schaufenster der Armani-Boutique an. Das Rot war etwas dezenter, aber der Schnitt ähnelte jenem der edlen Robe von damals. Entweder war so etwas wieder in Mode, oder die Kleider von Armani hatten generell einen eher zeitlosen Schnitt.
»Das sieht ja fast so aus wie das Kleid, das mir Josef vor Jahren in Cannes gekauft hat«, schwärmte sie.
»Schick.«
Doro warf nur einen kurzen Blick darauf, denn sie hatte selbst ein ganz anderes Modell im Visier. Einen paillettenbesetzten Traum in Grün, der sicher gut mit ihrem roten Haar harmonierte. Auch Heinz, den Doro überredet hatte, sie zu begleiten, war von dem Kleid sehr angetan. Die Meinung eines Mannes schien ihr wichtig zu sein, allerdings war Heinz mit seiner einfachen Garderobe bestimmt der Letzte, den man in Modefragen als Experten heranziehen konnte.
»Wenn nur jemand gesagt hätte, dass ich in meinem Leben noch mal auf einen Empfang komme, ich hätte glatt mein altes rotes Kleid ändern lassen«, sagte sie mit Bedauern zu ihrer Schwester. Warum waren die meisten Kleider, die sich in einem halbwegs normalen
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