Elli gibt den Loeffel ab
Seite.
»Ach was, sie war schon immer eine Spaßbremse«, musste Dorothea loswerden, was Heinz ihr ein wenig übelnahm. »Trinken wir noch ein Glas?«, fragte sie ihn.
»Es ist wirklich schon spät.«
Dorothea war immerhin feinfühlig genug, um sein Signal richtig zu interpretieren. »Ich war schon immer ein kleines Plappermäulchen«, gestand sie lächelnd.
Nun konnte Heinz ihr gar nicht mehr böse sein.
»Weißt du, Elli und ich haben uns schon als Kinder nicht sonderlich gut verstanden. Andererseits, wer hält es schon an meiner Seite aus?«
»Na, so schlimm ist es nun auch wieder nicht«, lenkte Heinz versöhnlich ein. Als er den letzten Schluck aus seinem Weinglas nahm, hatte er das Gefühl, dass sie ihn musterte.
»Du magst Elli, habe ich recht?«
Heinz blieb gar nichts anderes übrig, als zu nicken.
»Dabei kennt ihr euch doch noch gar nicht so lange.«
»So etwas kommt vor, aber ich fürchte, es beruht leider nicht auf Gegenseitigkeit.«
»Elli ist sehr eigen. Hat sie dir von ihrem Mann erzählt?«
»Nur am Rande.«
»Josef war, wie soll ich sagen, ein Traummann, wobei ich diesen Begriff überhaupt nicht mag. Jeder weiß, dass es so etwas gar nicht gibt. Josef war...«, Dorothea suchte offenbar nach Worten. »Ein Traummann«, ergänzte Heinz schmunzelnd. Sie nickte mit einem hilflosen Schulterzucken. »Er sah verdammt gut aus, hatte Manieren. Nein, er hatte mehr. Er hat Elli alle Wünsche von den Lippen abgelesen. Und ins Filmgeschäft hat er auch gut gepasst.«
»Da hat so jemand wie ich wohl keine Chance.«
»Ich fürchte, meine Schwester hat zu hohe Ansprüche«, sagte Dorothea trocken.
Das waren ja niederschmetternde Einsichten!
An Schlaf war in dieser Nacht nicht zu denken. Elli wechselte wieder einmal die Position, doch selbst die heißgeliebte stabile Seitenlage, mit bis knapp unter die Nase hochgezogener Bettdecke, bisher eine Garantin für süßes Wegschlummern, verfehlte ihre Wirkung. Immerhin war Doro nur eine Viertelstunde nach ihr in der Villa Palma angekommen — ein sicheres Zeichen dafür, dass sie sich nicht weiter an Heinz herangemacht hatte.
Vielleicht hätte sie mit ihrer Schwester darüber reden sollen, anstatt sich schlafend zu stellen, aber was hätte das gebracht, außer sich lächerlich zu machen. Nun fing Doro auch noch an zu schnarchen, und damit war der Wunsch nach Schlaf völlig aussichtslos. Auf dem Rücken konnte Elli sowieso nicht einschlafen. Ihr Blick fiel auf ihr Tagebuch, das auf dem Sekretär lag und im Mondlicht, das durch die Terrassentür hereinfiel, leuchtete. Elli stand auf. Vielleicht sollte sie versuchen, ihre Gedanken ein bisschen zu ordnen. Hieß es nicht immer, dass man sich etwas von der Seele reden konnte? Schriftlich funktionierte es sicher auch. Wenn sie sich auf die Terrasse setzte und sich leise verhielt, würde Doro bestimmt nicht wach werden.
Ich habe den Fehler schon einmal gemacht! Nein, ich habe ihn immer wieder gemacht. Peinlich! Pubertär! Nur weil sie mit ihm redet, sich mit ihm versteht. Soll sie ihn ruhig haben! Eine Journalistin »on the road«. Das passt doch wie die Faust aufs Auge. Doro schreibt auf ihre alten Tage Reiseberichte und sieht die Pyramiden. Stopp! Ich bin eifersüchtig! Und wie! Mit sechzig! Ich bin sechzig! Ich hatte Josef. Hatte. Zusammenreißen! Heinz passt nicht zu mir. Hoffentlich mache ich heute überhaupt ein Auge zu.
Das grelle Sonnenlicht traf Elli wie ein Blitz. So musste sich ein Vampir fühlen, der am helllichten Tag aus der Gruft stieg. Nun riss Doro auch noch den zweiten Vorhang ruckartig zur Seite. Sofort zog sich Elli die Decke schützend übers Gesicht.
»Guten Morgen, Elli. Los, raus aus den Federn. Fabrizio hat eben angerufen. Er holt uns in einer Viertelstunde ab.«
Elli war zu nichts anderem als einem lahmen Stöhnen fähig und versuchte, die Lähmungserscheinungen der viel zu kurzen Nacht abzuschütteln. »Viertelstunde, Fabrizio, Umzug, Koffer packen«, hämmerte es in ihrem Kopf.
Sie zwang sich angesichts von Doros Geschäftigkeit nun doch endlich dazu, aufzustehen und sich einer Katzenwäsche im Bad zu unterziehen. Kaum war der letzte Schuh im Koffer, meldete sich auch schon der Rezeptionist, um ihnen mitzuteilen, dass Signor Cavalaro unten auf sie warte.
Um ein Haar wäre Elli in Fabrizios Panda gleich wieder eingeschlafen, was Doro jedoch bemerkte und deshalb sofort Abhilfe schaffte, indem sie das Fenster herunterkurbelte und Elli der frischen Zugluft aussetzte. Immerhin zwang
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