Ellorans Traum
Ahnung, worum es geht? Du warst doch die ganze Zeit über mit ihm zusammen.«
»Ich denke schon«, antwortete Veelora zögernd. »Aber ich will ihm nicht vorgreifen. Vielleicht täusche ich mich ja auch. Jedenfalls werde ich ihn in ein paar Tagen treffen, und danach weiß ich mehr.« Sie schwieg und sprach dann über etwas anderes. »Ich denke, rechtzeitig zum Krontag wird auch die Abordnung von den Inseln hier sein. Gioanî wollte seinen Sohn eigentlich schon mit mir zusammen reisen lassen, aber aus irgendeinem Grund hat sich das um ein paar Tage verzögert.« Sie lachte auf. »Ich war nicht sehr böse darum. Das Prinzchen ist ein schwieriger junger Mann. Du hast dir da etwas eingehandelt, Karas.«
Karas schmunzelte nur und stand auf. »Ans Werk, Geliebte.« Er beugte sich zu ihr und küßte sie herzhaft auf den Mund. Sie erwiderte seinen Kuß und erhob sich ebenfalls.
»Also dann. Was hat Galen dir schon berichtet, was ich mir jetzt sparen kann?« Sie gingen hinaus, Karas auf Veeloras Arm gestützt. Ich sah ihnen einem Augenblick lang nach und entschied dann, meinen guten Vorsatz vom Morgen in die Tat umzusetzen – vor allem, weil diese Mahlzeit wieder einmal eine der üppigeren gewesen war.
Der Waffenhof der Kronenburg war bestimmt zehn Mal so groß wie der von Salvok. Ich wanderte ein wenig verloren über das weitläufige Gelände, bis ich in einer Gruppe von schwitzenden, verbissen kämpfenden Frauen aus Veeloras Garde die hochgewachsene junge L'xhan entdeckte, die meines Wissens eine der Waffenmeisterinnen der Burg war. Sie erblickte mich und kam mit fragender Miene auf mich zu. »Was kann ich für Euch tun, junger Herr?«
Ich räusperte mich befangen und fragte sie nach einem Übungsschwert. Sie nickte und ging zum Waffenschuppen. Ich hockte mich auf die Absperrung des Kampfplatzes und sah Veeloras Soldatinnen zu. Anscheinend legte meine Großmutter auch Wert auf Ausbildung im waffenlosen Kampf, denn ich sah nirgendwo Schwerter oder Messer. Mit bloßen Händen traten die Frauen gegeneinander an und warfen sich gegenseitig mit geübtem Schwung zu Boden. Eine große, kräftige Frau gab dabei mit lauter Stimme Anweisungen.
»Verdammt, Aliss! Wie oft habe ich dir gesagt, du sollst bei diesem Griff deine Beine nicht so weit grätschen! Wie willst du Rut denn ohne festen Stand aushebeln?« Die Gerügte hob eine Hand und grinste mit weißen Zähnen, die in ihrem schweiß- und staubverklebten Gesicht vergnügt aufblitzten. Dann warf sie sich wieder auf ihre stämmige Gegnerin.
»Hier ist Euer Schwert«, sprach mich die Waffenmeisterin an. Ich zuckte zusammen, denn ich hatte sie nicht herankommen hören. Sie blickte leicht mißbilligend auf meine Kleidung und fragte: »Wollt Ihr keine Trainingskleidung, Herr? Eure Sachen scheinen mir nicht gerade das Richtige für den Waffenhof.« Ich nickte dankbar und fragte sie nach ihrem Namen. »Joskin, Herr. Soll ich Euch auch einen Übungspartner besorgen?«
»Danke, Joskin. Ich b-bin etwas aus dem Training und m-möchte lieber zuerst alleine arbeiten.«
Sie nickte kurz und wies mir den Weg zum Schuppen, wo ich passende Kleider fand und mich umzog. Ich suchte mir eine Ecke des Hofes aus, die nicht von allen Seiten einsehbar war, und begann, die altgewohnten Übungen durchzuführen. Mein Körper erinnerte sich an sie, als hätte ich sie gestern zum letzten Mal gemacht. Aber meine vernachlässigten, erschlafften Muskeln begannen schon nach wenigen Minuten zu schmerzen, und mein Atem ging so heftig wie früher erst nach einer Stunde oder mehr. Die Schreibtischarbeit hatte mich anscheinend erheblich mehr an Ausdauer gekostet, als mir bewußt gewesen war. Ich stützte mich auf das Schwert und schüttelte mir den Schweiß aus den Augen.
Hinter mir lachte jemand hell auf. »Das ist ja ein trauriges Schauspiel, das du mir da bietest! Und wie bist du fett geworden, Ell!« Wütend und beschämt fuhr ich herum, eine scharfe Erwiderung auf der Zunge, die mir im Halse stecken blieb, als ich sah, wer mich da angerufen hatte. Ich ließ achtlos das Schwert fallen und sprang auf die kleine dunkelhäutige Frau in der Uniform der Leibgarde meiner Großmutter zu, die sich da so lässig an das Gatter lehnte. Wir umarmten uns lachend, und ich hob sie übermütig über das Gatter.
»Veelora hat mit k-keiner Silbe erwähnt, daß du auch hier b-bist«, sagte ich etwas später. »Ich dachte, d-du wärst in Kerel Nor.«
»Ich war mit in S'aavara«, erklärte Jenka stolz. Sie war erwachsen
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