Ellorans Traum
verständnisvoll. »Er ist sehr gut. Als er hier ankam, kannte er das spiel noch nicht, und ich habe es ihm erst beibringen müssen. Aber inzwischen spielt er besser als ich. Fast so gut wie Karas seinerzeit.« Ein Schatten glitt über ihr Gesicht. Wir gingen hinaus. Ich fragte sie, warum Karas nicht mehr spielen mochte. Sie schüttelte den Kopf. Ich sah die Trauer in ihrem Gesicht.
»Er wollte nichts mehr davon wissen, nachdem Elliana ...« Sie unterbrach sich. Es schien mir, als kämpfe sie aufsteigende Tränen nieder.
»S-seine älteste Tochter?« fragte ich schnell.
Veelora nickte und wischte sich über die Augen. »Er hat dir von ihr erzählt?« fragte sie. Ihre Stimme klang belegt.
»Er h-hat sie erwähnt. Leonie s-sagte, daß er n-nach ihrem Tod«, dieses grauenhafte Unglück , hatte sie gesagt, »daß er danach nie wieder g-gespielt hat. W-wie ist sie umgekommen, seine Tochter?«
»Es war ein Mordanschlag. Er hat sie mit seinem eigenen Körper abgeschirmt, aber es hat nichts genutzt. Sie war tot, und Karas wäre auch fast gestorben.« Sie schwieg, den Mund bitter zusammengepreßt.
»War das d-dasselbe Attentat, bei dem auch beinahe die Krone ums L-Leben gekommen wäre?« fragte ich neugierig.
Sie zuckte zusammen und nickte dann. »Elliana und die kleine Prinzessin waren gleichaltrig; sie spielten miteinander, als es geschah. Es war ein magischer Anschlag, Blitze aus kaltem, blauem Feuer. Das Gemach war völlig verwüstet und Ellianas kleiner Körper kaum noch zu erkennen.« Jetzt liefen unverhohlene Tränen über Veeloras Gesicht. »Karas – ich dachte zuerst, er sei auch tot, so schrecklich hatte ein Blitz ihn verbrannt und verstümmelt. Ohne die Hilfe der Obersten Maga hätte er damals gewiß nicht überlebt.« Sie verbarg das Gesicht in den Händen. Mir war übel vor hilflosem Mitleid. Unbeholfen nahm ich sie in den Arm. Sie legte ihren Kopf an meine Schulter, und ich fühlte, wie sie am ganzen Körper bebte. Endlich beruhigte sich ihr Schluchzen, und sie machte sich von mir los.
»Hast du ein Taschentuch?« fragte sie, unter Tränen lächelnd. »Nach dem Anschlag hat sich Karas geweigert, auch nur eine der Spielfiguren anzurühren«, fuhr sie ruhiger fort, nachdem sie sich die Nase geputzt hatte. »Er hat Elliana damals das spiel beigebracht, und sie haben oft miteinander gespielt. Er konnte es nicht mehr ertragen.«
»S-sein lahmes Bein, rührt es auch von d-dem Attentat her?«
»Ja. Das und die grauenhaften Anfälle, die er seither immer wieder erleiden muß. Selbst die Maga kann nichts dagegen unternehmen. Der Zauber, der damals seine Tochter tötete, war zu stark, und ein magischer Nachhall ist noch immer wirksam. Er tötet Karas – seit Jahren, langsam, Stück für Stück. Wenn du einmal einen dieser Anfälle miterlebt hättest ...« Sie schauderte in blankem Entsetzen.
»Das h-habe ich«, erwiderte ich, von ähnlichem Grauen geschüttelt wie sie.
Sie sah es und nahm mich in ihre Arme. »Armes Kind«, flüsterte sie. »Das wußte ich nicht. Das hätte er dir ersparen müssen!«
»Aber es war doch s-sonst niemand da, der sich um ihn gekümmert h-hätte«, protestierte ich. »Nur L-Leonie hat ihm geholfen, und das wollte er n-nicht!«
Veelora wandte sich hastig ab, doch ich hatte die Kälte in ihrem Blick schon gesehen. »Leonie. Das hat er mir verschwiegen. Aber ich hätte es mir denken können.« Sie klang ergrimmt. Dann atmete sie tief ein und schob ihren Arm unter meinen. »Komm jetzt, Elloran. Mach ein freundliches Gesicht. Wir wollen Karas nicht beunruhigen.«
Unserer bedrückten Stimmung zum Trotz verlief das Essen geruhsam. Wieder beeindruckte mich die tiefe Verbundenheit, die Veelora und Karas zeigten. Der Kammerherr sah erschöpft aus und winkte nur ab, als Veelora ihn nach seinem Treffen mit der Obersten Maga fragte. Ich versuchte, mich hinter meinem Teller unsichtbar zu machen, in der Hoffnung, etwas mehr über die linke Hand der Krone zu erfahren, die ich noch nie zu Gesicht bekommen hatte. Meine Taktik schien Erfolg zu zeitigen, denn Veelora entfuhr eine unbedachte Äußerung, die sie auch sofort zu bereuen schien.
»Wenn man bedenkt«, sagte sie, »daß sie laut Galen höchstwahrscheinlich diejenige ist, die uns an die T'jana ...«, hier fiel ihr wohl ein, daß ich mit am Tisch saß, und sie biß sich auf die Zunge.
Karas schoß ihr einen warnenden Blick zu und bemerkte schnell: »Galen hat wieder einmal irgend etwas vor, das er niemandem verraten will. Hast du eine
Weitere Kostenlose Bücher