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Ellorans Traum

Ellorans Traum

Titel: Ellorans Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances G. Hill
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geworden, fiel mir auf; sie war größer und kräftiger, als ich sie in Erinnerung hatte. Ihr früher so spitzes Gesicht hatte jetzt starke Ähnlichkeit mit dem Antlitz ihrer Tante Jemaina: Stolz saß sie in ihrer strengen Uniform vor mir und strahlte mich aus schwarzen Augen an. »Ich habe dich so vermißt«, sagte sie unvermittelt und blinzelte verlegen.
    Ich griff nach ihrer kleinen, kräftigen Hand und sagte ehrlich: »Ich d-dich auch, Jenka. Sehr sogar. Aber jetzt bist du ja hier. Wir k-können doch sicher ein wenig Zeit miteinander v-verbringen, oder?«
    Sie nickte und zog ihre Nase kraus. »Ich habe hier nicht viel zu tun, ehe wir wieder abreisen«, sagte sie. »Bis zum Krontag sind wir auf jeden Fall noch hier, bevor wir nach Kerel Nor zurückkehren. Eigentlich habe ich jetzt auch Freiwache, ich wollte mich gerade umziehen, als ich dich hier stöhnen hörte, als würdest du gefoltert.« Sie grinste mich frech an. »Du bist ja noch schlechter in Form als früher«, foppte sie. »Was hast du getan, ein Jahr lang nur gegessen, geschlafen und die Haare wachsen lassen?« Ich hob drohend die Hand, und sie kicherte. »Versuch es ruhig. Du darfst mir glauben, daß ich dich auch noch mit einer Hand auf dem Rücken besiegen könnte!« Ich glaubte es ihr aufs Wort. Sie sah muskulös und durchtrainiert aus.
    Ich reichte ihr die Hand und zog sie hoch. Wir gingen zurück zum Waffenschuppen, wo ich mich umzog. Dann führte sie mich zu ihrem Quartier. Sie teile das Zimmer noch mit drei anderen Frauen, erzählte sie mir. Eine von ihnen hatte ebenfalls Freiwache, sie lag im Bett, als wir eintraten, schob einen verwuschelten Kopf unter der Decke hervor und musterte mich verschlafen und äußerst neugierig.
    »Schlaf weiter, Reeta. Das ist ein alter Freund von mir, also Hände weg!« Die Angesprochene grinste, machte eine anzügliche Bewegung mit zwei Fingern und zog sich wieder die Decke über den Kopf. Jenka schielte verzweifelt und knöpfte ihre Uniform auf. Ich wandte mich diskret ab und blickte aus dem Fenster. Hinter mir kicherte Jenka.
    »Du bist aber schüchtern geworden«, lachte sie. »Du hast mich doch oft genug ohne einen Faden am Leib gesehen!« Reeta gab unter ihrer Decke ein prustendes Geräusch von sich. Ich wurde feuerrot. Eilig drehte ich mich wieder zu Jenka um, und sie betrachtete mich mit schiefgelegtem Kopf und in die Seite gestemmten Fäusten. Wie gut ich diese Haltung kannte!
    »Komm, lassen wir Reeta schlafen«, sagte sie laut und zwinkerte mir zu. Sie schob ihren Arm unter meinen und zog mich aus dem Zimmer. Ihre Kleider glichen denen Veeloras, nur die Farben waren andere. Statt der erdigen Braun- und Grüntöne bevorzugte Jenka leuchtend rote und gelbe, und an den Füßen trug sie leichte Schuhe aus Stoff und Stroh. Wir spazierten durch die Burg, und ich erzählte zum zweiten Mal an diesem Tag meine Geschichte.
    »Junge, Junge«, pustete sie, als ich geendet hatte. Sie blieb stehen und sah mich an, als hätte sie mich nie zuvor gesehen. »Das ist ja ganz schön aufregend gewesen. Und von dem Kommandanten hast du nichts mehr gehört?« Ich schüttelte ein wenig beschämt den Kopf, schließlich hatte mich Nikals Schicksal in den letzten Neunwochen nicht mehr allzusehr berührt. Wir gingen weiter, beide mit unseren Gedanken beschäftigt. Ich hatte nichts von dem gesagt, was zwischen mir und Tom gewesen war, aber ich mußte feststellen, daß ich Jenka wieder einmal unterschätzt hatte.
    »Liebst du diesen Kater eigentlich?« fragte sie unverblümt. Ich öffnete den Mund und schloß ihn wieder. »J-ja«, sagte ich schließlich zögernd. »Ich g-glaube schon.«
    Sie rümpfte die Nase. »Klingt nicht sehr überzeugend«, krittelte sie. Ich fand, daß sie sogar recht hatte. Ich war wirklich nicht allzu überzeugt davon. Unbehaglich blickte ich mich um: Wir waren inzwischen im alten Teil der Burg gelandet.
    »Komm, ich stell dich Leonie vor!« sagte ich schnell, ehe sie sich an dem Thema festbeißen konnte. Sie sah mich mißtrauisch an und dachte offensichtlich darüber nach, ob das ein Ablenkungsmanöver war. Hastig griff ich nach ihrem Ellbogen und zog sie mit mir. Vor Leonies Tür angelangt, klopfte ich kurz an und wartete auf die Erlaubnis einzutreten.
    »Kommt herein, Kinder«, erklang gedämpft Leonies Stimme. Jenkas Augenbrauen schossen in die Höhe, und ich grinste in mich hinein.
    Leonie saß auf dem Diwan, die schmalen Füße unter sich gezogen, und trank Tee. Sie blickte Jenka scharf und fast ein

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