Ellorans Traum
befriedigen, aber schließlich schüttelte sie den Kopf und streckte sich, daß es knackte.
»Komm, Elloran. Ich möchte mich umziehen, ich kann schließlich nicht den ganzen Tag in Karas' zweitbestem Hemd herumlaufen.« Sie zupfte an meinem Zopf und schüttelte sich in gespieltem Abscheu. »Warum, bei allen Geistern, läßt du nur deine Haare derart lang wachsen? Und womit bindest du dir deine schreckliche Mähne überhaupt zusammen?« Sie griff nach den Enden der langen Seidenkordel und begutachtete sie genauer. »Wo hast du die denn her?« fragte sie ungläubig.
»D-der Kammerherr hat sie mir g-gegeben.« Ich hatte das Gefühl, als müßte ich mich gegen irgendeinen Vorwurf verteidigen. Sie ließ die Kordel los und schüttelte ergeben den Kopf.
»Dieser Mann ist unmöglich«, lachte sie. »Ich habe ihm schon tausendmal gesagt, er soll die Finger vom Kronschatz lassen, aber nein!« Ich sah sie neugierig an. Was hatte der Kronschatz mit meinem Haarband zu tun?
Sie lehnte den Kopf an meine Schulter und erklärte: »Die harmlose Kordel, die er dir für deine Haare gegeben hat, ist einer der Zeremoniengegenstände, die bei der Krönung eine wichtige Rolle spielen.« Sie kicherte. »Die Kordel versinnbildlicht die Verbindung der Regentin zu ihrem Reich, sie wird ihr um den linken Arm gewickelt und stundenlang höchst wortreich gesegnet. Und diesen geheiligten Gegenstand hat dir Karas ...« Ihre Stimme erstickte im Lachen. Ich fand das eigentlich gar nicht so sehr komisch. Endlich wischte sie sich die Lachtränen vom Gesicht und schniefte: »Ich erinnere mich noch an den Tag, als ich einen unermeßlich kostbaren, antiken Kamm aus dem Kronschatz in Karas' Bettlektüre fand: er benutzte ihn seit Jahren als Lesezeichen.«
Immer noch lachend stand sie auf und lief wie ein junges Mädchen zum Haus. Einen Augenblick lang saß ich wie erstarrt, dann rannte ich kopfschüttelnd hinter ihr her.
In ihrem Quartier fühlte ich mich sofort zuhause. Ich fiel in einen durchgesessenen Lehnstuhl und sah mich in aller Ruhe um, während Veelora sich im Nebenraum umzog. Die Tür hatte sie nur angelehnt, damit wir uns weiter unterhalten konnten.
»Hältst du d-die Spitze?« rief ich hinüber. Ich hatte das spiel auf ihrem Tisch entdeckt und kniete mich nun daneben. Wie bei Leonie standen Figuren im Zentrum: nicht gar so auffallend gearbeitet, aber immerhin aus schönem Stein geschnitzt und sparsam bemalt. Ich nahm sie nacheinander in die Hand: da war der Narr mit seiner Schellenkappe und dem buntfleckigen Gewand und langem, lockigem Haar; neben ihm stand der König, klein und rundlich, mit einer etwas verrutschten Krone auf dem Kopf; und die dritte Figur, groß und kräftig, war die Schwertfrau, die sich mit grimmiger Miene auf ihre Waffe stützte. Eine Horde von Jägern bedrohte das Zentrum und schnitt den Weg zur Basis vollständig ab. Es sah schlecht aus für den Spieler, der die Spitze besetzte. Welches mochte seine Figur sein – der Narr?
»Was hast du gefragt?« Veelora trat ins Zimmer, damit beschäftigt, einen schmalen Gürtel um ihre Hüften zu schnallen. Sie hatte Karas' Hemd gegen eine weiche olyssische Tunika getauscht, wie sie auch Nikal immer gerne getragen hatte. Darunter schauten enge Leinenhosen und halbhohe, weiche Lederstiefel hervor, alles in warmen, erdigen Farben, die ihr rotes Haar nur noch mehr leuchten ließen. Das silberne Armband blitzte auffällig an ihrem Handgelenk.
»Ich wollte wissen, w-welche Seite du spielst. Spitze oder B-Basis?« Ich deutete auf das spiel.
Sie warf einen kurzen Blick auf das Brett und antwortete knapp: »Ich führe die Jäger.«
»D-dann hat dein Gegner nicht mehr allzuviele Möglichkeiten. Gegen w-wen spielst du?«
Sie steckte ihr Messer in den Gürtel und bürstete heftig ihre kurzen Locken aus. »Spielst du etwa auch?« fragte sie neugierig.
»Ja, Leonie h-hat es mir beigebracht.« Sie ließ die Bürste sinken und blickte mich nachdenklich an.
»Leonie ist eine wahre Meisterin. Wenn du es von ihr gelernt hast, wirst du auch nicht schlecht sein. Wir müssen einmal miteinander spielen, Enkel.« Ich nickte begeistert. Aber es interessierte mich wirklich, deshalb wiederholte ich meine Frage nach ihrem Spielpartner.
»Botschafter Galen«, antwortete sie. Ich starrte sie entsetzt an. Sie erwiderte den Blick leicht überrascht. »Was hast du denn, Kind?«
»N-nichts«, beeilte ich mich, ihr zu versichern. »Ich k-kann ihn nur überhaupt nicht Heiden!«
Sie lachte
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