Ellorans Traum
mit deinen Haaren?« fragte er kalt.
»Gefärbt«, sagte ich schnell. »Ich werde v-verfolgt.« Er betrachtete mich noch einige Atemzüge lang aus der Nähe, dann nickte er und ließ mich los.
»Deine Wimpern haben die richtige Farbe«, sagte er. »Also gut, soweit glaube ich dir. Was willst du von mir?« Er setzte sich auf sein schmales Bett und zog seine Stiefel aus.
Ich schnappte nach Luft. So hatte ich mir unser Wiedersehen nicht vorgestellt.
»W-wir, ich, d-das heißt, doch eigentlich wir ...«, stammelte ich.
»Hör doch um der Götter willen auf zu stottern«, fauchte er. »Das macht einen ja ganz irre.«
»Ich k-kann nicht«, sagte ich verzweifelt. »Ich hatte einen Unfall, w-weißt du?« Neues Mißtrauen erwachte in seinem Gesicht. »Ich soll dich zu Quinn und G-Galen und den anderen b-bringen«, fuhr ich hastig fort. »Sie suchen dich schon seit Jahren, s-sagen sie.«
»Zu wem?« fragte er lauernd. »Ich weiß nicht, von wem du sprichst. Was soll das sein, eine Falle? Schickt dich nicht vielleicht doch Ruud?« Seine Hand glitt zum Gürtel. Meine Gedanken rasten.
»D-deine Narbe«, entfuhr mir. »Da, unter deinem Auge. Woher hast du d-die?« Ich hielt die Luft an. Das hat er mir nie vergeben , hatte Tom gesagt. Nikal zögerte und dachte nach. Die Falten in seinem zerquälten Gesicht vertieften sich noch mehr.
»Das – das war ein – eine Katze«, sagte er zögernd, fast fragend. Ich stieß die Luft aus.
»Ja, r-richtig«, sagte ich eindringlich. »Der Kater. Tom. S'TomCroQ'nan.« Ich zerbrach mir fast die Zunge an dem Namen. »Er gehört zu Omellis L-Leuten, zur Allianz!« Ich wartete atemlos.
Nikals Atem ging schwer und keuchend. »Der Kater«, stieß er hervor. »Die Schlangenfrau. Der verrückte Arzt.« Ich sah, wie seine Knöchel weiß hervortraten. »Die Frau mit einem Arm und zwei Köpfen. Der – der Wechsler ...« Er verstummte, und ich hörte nur noch sein Atmen. Mir schwindelte. Das waren die grotesken Figuren auf Leonies Spielbrett! Er hatte die Figuren beschrieben, aber woher kannte er sie?
Er ließ die Hände sinken und starrte mich an. »Was bist du?« fragte er heiser. »Ein Dämon aus der WeltUnten, der mich quälen soll?«
Ich spürte, daß mir die Tränen kamen. »Nik«, sagte ich aufschluchzend. »Nik, tu mir das nicht an!« Ich schlug die Hände vors Gesicht. Er stand auf, und etwas klirrte zu Boden. Seine Arme umfingen meine Schultern, und ich fand mich an seiner Brust wieder.
»Mein Kleiner«, sagte er verwundert, und zum ersten Mal an diesem Abend vernahm ich Nikals alte Stimme. »Mein Elloran.« Er drückte mich fest an sich, und ich schaute ihm ganz überrascht ins Gesicht. Es war, als hätte jemand ihn ausgetauscht. Der fremde, böse Ausdruck war aus seinen Augen verschwunden, sein Gesicht erschien jünger und etwas hilflos. Er sah mich an und strich erstaunt über meinen Kopf.
»Du mußt mir unbedingt erzählen, was mit deinen Haaren passiert ist«, sagte er. »Und warum, zum Henker, bist du so dick geworden? Paßt deine Mutter nicht mehr auf dich auf?« Ich schloß die Augen und begann zu zittern. Nicht jetzt, bei allen Geistern, nicht ausgerechnet jetzt! Ich kämpfte mich von ihm los und grub hektisch in meiner Tasche. Ein zerdrücktes Stäbchen fiel mir entgegen, und ich entzündete es hastig. Er sah mich fassungslos an, die Hände noch immer auf meinen Schultern.
»Ein Nebelkopf«, sagte er angewidert. »O ihr Götter, ein Nebelkopf!« Er spuckte aus.
»Immer noch b-besser als ein Säufer«, sagte ich bissig und wünschte mir sofort, ich hätte mein dummes Maul gehalten. Sein Gesicht verhärtete sich wieder. Er ließ mich los.
»Du solltest jetzt gehen«, knurrte er. »Ich habe einen harten Tag hinter mir und will ins Bett.« Wie zur Bekräftigung seiner Worte begann er, sein Lederwams aufzuschnüren. Ich rauchte mit unsicheren Fingern mein Glückskraut zu Ende. Er schälte sich aus dem Wams und zog das dicke Unterhemd über den Kopf. Sein gräßlich vernarbter Rücken erinnerte mich an einen kalten Frühlingstag in Salvok vor fast zwei Jahren.
»Wie b-bist du eigentlich aus der Stadt rausgekommen?« fragte ich, um mich davon abzulenken. Er drehte sich zu mir um, nacktes Unverständnis im Gesicht.
»Was für eine Stadt?«
»Die Z-Zaubererstadt«, erklärte ich geduldig. »Wo Julian dich h-hingebracht hat.«
»Ich weiß von keiner solchen Stadt«, erwiderte er stur.
»Wo warst du d-denn in den letzten beiden Jahren?«
»Hier. Wo sonst? Ich warte hier
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