Ellorans Traum
einem Nicken. Sie schlenderte ein paar Schritte weiter und warf zwei verschüchtert aussehenden jungen Matrosen einen auffordernden Blick zu. Die beiden grinsten verlegen und winkten ab. Sie zuckte mit den Schultern und ging weiter. Dann bog sie um die Ecke. Ich stand da und kam mir ziemlich blöd vor. Meine Füße wurden kalt, und ich stampfte ein paar Schritte die Straße hoch und wieder hinunter.
»Und, wie läuft's?« fragte sie. Ich verdrehte die Augen. Das hatte mir gerade noch gefehlt!
»Ich dachte, du redest nicht mehr mit mir«, erwiderte ich patzig.
Sie zog den Kopf zwischen die Schultern und sah mich unbehaglich an. »Leonie hat mir ordentlich den Kopf gewaschen«, gab sie zu. »Aber ich nehme nichts zurück!« setzte sie eilig hinzu. »Du bist eine Pestbeule, Elloran, dabei bleibe ich!«
»Danke, gleichfalls«, schnappte ich. Sie lachte und zog an meinen Haaren.
»Bis bald«, flüsterte sie und huschte um die Ecke. Ich band ergrimmt mein Haar neu und drehte mich um. Einige Schritte entfernt stand ein großer, schlanker Mann in raulikarischer Uniform und betrachtete mich mit unverhohlenem Interesse. Ich gab mir einen Ruck und trat auf ihn zu. Wir wurden schnell handelseinig, und ich zeigte ihm den Weg zu dem kleinen Gästehaus, das Katarin mir für diesen Fall genannt hatte. »Laß dir das Geld immer im voraus geben«, hatte sie mir eingeschärft. »Sag, du mußt das Zimmer davon bezahlen. Du kriegst einen Teil der Zimmermiete hinterher von dem Portier zurück, der Laden gehört mir. Aber sieh zu, daß du deine Kunden dazu bringst, was zu trinken zu bestellen.«
Mit weichen Knien ging ich vor dem Soldaten die Treppe hinauf und öffnete die Zimmertür. Er sah sich um, brummte: »Sauber hier«, und fing an, sich zu entkleiden. Die nächste Stunde wurde unangenehm, aber dennoch weniger schlimm, als ich erwartet hatte. Ich würde mich schon irgendwie daran gewöhnen, so mein Geld zu verdienen. Als er fort war, wusch ich mich gründlicher als sonst, und ging dann hinunter, um meinen Teil der Zimmermiete wieder abzuholen. Der Portier, ein krummer, alter Mann, grinste mich zahnlückig an und schob mir die Pennychs über den Tresen. »Du bist Katarins Neuer, hä?« krächzte er. Ich nickte. Wenn mir heute noch einer diese Frage stellte, würde ich schreien.
Ich ging nicht zurück zu meiner Ecke, für den Anfang hatte ich die Nase voll. Ich kehrte in mein Zimmer zurück und rauchte, bis ich den Kopf voller warmer Luft hatte, schlief bis zum dritten Wachwechsel und machte mich dann auf den Weg zum Gelben Segel.
Die Schenke war brechend voll, und ich eroberte nur mit Mühe einen Platz in der Nähe der Theke. Moll sah mich und kam an meinen Tisch.
»Er ist noch nicht hier«, sagte sie und wischte die roten Hände an ihrer Schürze ab. »Was darf ich dir bringen? Das Übliche?« Sie lachte, und ich grinste zurück. Die Schankmaid lachte auch. Es schien im Gelben Segel nicht häufig vorzukommen, daß jemand Wasser bestellte. Ich lehnte mich zurück und sah mich um. Ein recht buntgemischtes Völkchen verkehrte in dieser Schenke. Hier gab es offenbar nicht ausschließlich Hafenarbeiter und Matrosen, wie ich zuerst vermutet hatte. Die drei beleibten Männer dort in der Ecke zum Beispiel, die so überaus eifrig dem deftigen Essen zusprachen, waren sicherlich Kaufleute. Bei der bunten, lauten Truppe, die gerade so lautstark mit der Schankmaid Hana scherzte, mußte es sich um Gaukler oder Spielleute handeln. Tom hätte dort blendend hingepaßt. Nur Nikal ließ sich nicht sehen – wenn der Mann, den ich erwartete, überhaupt Nikal war. Vielleicht war Darons Kunde ja jemand völlig anderes, und ich mußte an einem anderen Ort nach meinem Freund suchen.
Ich leerte meinen Becher und stand auf, um mich an die Theke zu lehnen. Moll lächelte und schob mir einen neuen Becher hin. »Aber betrink dich nicht!« mahnte sie augenzwinkernd. Ich kicherte und schlürfte den würzigen Tee. Sie sah an mir vorbei und klopfte sacht auf meine Hand. »Sieh dich mal um. Ist er das?« Ich drehte mich um und suchte, wen sie gemeint haben könnte. Ein kleiner, dürrer Mann in den unauffälligen Kleidern eines Schreibers oder Kaufmannsgehilfen stand neben der Tür an einem Tisch und schien sich mit einem Kollegen zu streiten. In seiner Nähe stand ein hünenhafter, fettbäuchiger Hafenarbeiter mit fast kahlgeschorenem Kopf, feistem Stiernacken und muskelbepackten Armen und kniff die empört aufkreischende Schankmaid Hana in den Po. Ich sah
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