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Ellorans Traum

Ellorans Traum

Titel: Ellorans Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances G. Hill
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ihn mir genauer an, aber er hatte sein Gesicht von mir abgewandt, so daß ich es nicht genau erkennen konnte. Von der Größe her hätte er es sein können, aber ich war mir nicht sicher.
    Aufseufzend drehte ich mich wieder zur Theke und blickte in Nikals Gesicht. Ich erkannte ihn so deutlich, wie ich mich selbst erkannt haben würde. Er stand ein Stück von mir entfernt, in schäbiger, dunkler Kleidung, und hielt einen Krug in der Hand. Ich starrte ihn mit offenem Mund an. Sein Haar war inzwischen vollständig weiß, und er hatte sich einen kurzgeschorenen grauen Bart stehen lassen. Seine Schultern wirkten etwas gebeugt, und er war schlank, fast hager. Sein Gesicht war zerfurcht und erschien verbittert, aber es war Nikals Gesicht, so sicher, wie der Tee in meinem Becher Tee war und kein Wein. Ich warf Moll einen aufgeregten Blick zu und nickte heftig.
    Sie schob ihren Mund an mein Ohr und flüsterte: »Sprich ihn besser nicht an, Junge. Er ist in einer ganz gefährlichen Stimmung heute abend!«
    Ich blieb wie festgenagelt an meinem Platz stehen und beobachtete Nikal, wie er stetig und konzentriert einen Krug nach dem anderen leerte. Endlich warf er wortlos einige Münzen auf die Theke und schob sich zum Ausgang, augenscheinlich nicht betrunkener als zuvor. Ich warf Moll einige Pennychs zu und beeilte mich, ihm zu folgen. »He, du mußt doch nicht ...«, hörte ich sie noch rufen, dann hatte ich mir meinen Weg gebahnt und stand auf der Straße, mich wild umblickend. Eine große, schlanke Gestalt bog gerade um die nächste Ecke. So leise und unauffällig wie möglich eilte ich hinterher. Vielleicht führte er mich zu seinem Quartier, wo ich ihn dann morgen aufsuchen konnte, wenn er wieder nüchtern war. Durch endlose dunkle Gassen und Straßen folgte ich ihm zu einem Viertel, das ich noch nicht kannte. Wieder bog er vor mir um eine Ecke. Ich folgte ihm und entdeckte, daß er verschwunden war. Die Gasse lag leer und dunkel vor mir, nichts bewegte sich, keine Schritte waren zu hören – Nikal hatte sich in Luft aufgelöst!
    Ich fluchte unterdrückt und wandte mich um. In dem Augenblick schlang sich ein eisenharter Arm um meine Kehle, und ein Messer drückte sich schmerzhaft in meine Seite.
    »Wer schickt dich«, flüsterte eine heisere Stimme an meinem Ohr. Schnapsgeschwängerter Atem strich über mein Gesicht. »Ruud?« Ich krächzte angsterfüllt. Er wechselte seinen Griff und drehte mich herum. Das Messer bedrohte jetzt meine Kehle. Kalte, helle Augen bohrten sich in meine.
    »Nik«, ächzte ich. »Ich b-bin es. Elloran.« Seine Augen wurden zu schmalen Schlitzen in dem zerfurchten, wettergegerbten Gesicht. Er griff unsanft nach meinem Kinn und drehte meinen Kopf in das schwache Mondlicht der Großen Schwester. Sein Gesicht war unbarmherzig und böse.
    »Was soll das!« zischte er. »Wer hat dir aufgetragen, das zu sagen?« Sichernd sah er sich um. »Komm mit.« Er drehte mir brutal den Arm auf den Rücken, daß ich vor Schmerzen aufschrie, und zerrte mich durch einen Hausflur in ein kahles Zimmer. Es erinnerte mich lebhaft und unangenehm an die Zelle in der Kronenburg, in der ich so lange gesteckt hatte. Er stieß mich zu Boden, bellte: »Rühr dich nicht vom Fleck!« und entzündete eine Öllampe. Ich rieb mir den Ellbogen, den ich mir schmerzhaft geprellt hatte und tat lieber, was er sagte.
    Er zerrte mich unsanft hoch und drehte mich ins Licht. Ich stand zitternd da und wartete. Seine Augen wanderten über mein Gesicht, meine Haare, meinen Körper. Mir wurde bewußt, daß ich mich in den letzten beiden Jahren wahrscheinlich noch stärker verändert hatte als er. Er hatte ein dürres, rothaariges Kind auf Burg Salvok zurückgelassen und sah jetzt einen rundlichen jungen Menschen mit langen, rabenschwarzen Haaren vor sich. Kein Wunder, daß er mir nicht glaubte!
    »Nik«, versuchte ich es noch einmal. »Ich bin es w-wirklich. Du mußt mir glauben! Ich habe n-nach dir gesucht.«
    Er ließ die Hand mit dem gezückten Messer sinken und schüttelte ungläubig den Kopf. »Verdammt, die Augen sind es, und die Stimme auch«, flüsterte er. »Was ist das für ein Spiel?«
    »K-kein Spiel, Nik. Ich bin Elloran, glaube m-mir doch bitte!« sagte ich flehend. Er ließ das Messer verschwinden – die Bewegung war so schnell, daß ich nicht einmal verfolgen konnte, wohin er es gesteckt hatte – und trat ganz nah zu mir. Seine Finger gruben sich wieder in mein Kinn, und er schob seinen Kopf ganz nah an mein Gesicht.
    »Was ist

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