Ellorans Traum
auf ... Hier ist der Treffpunkt von ...« Er stierte verwirrt auf seine Hände. Ich gab es auf. Katarin hatte recht, Nikal hatte mehr als nur einen kleinen Schaden. Er war verrückt wie ein olyssischer Igelvogel, und ich hatte die undankbare Aufgabe am Hals, ihn irgendwie aus dieser Stadt raus und zu unserem Treffpunkt zu schaffen. Ich stand auf und sagte zu dem Mann, der reglos vor mir stand und Löcher in die kahle Wand starrte: »Sehen wir uns m-morgen, Nik? Wo kann ich dich treffen?«
Er fuhr zusammen, als hätte er mich vollständig vergessen und murmelte: »Morgen. Ja. Du mußt mir erzählen ...« Seine Stimme verklang.
»Nik«, sagte ich ungeduldig. »Wo kann ich dich m-morgen treffen? Hier? Im Gelben Segel? W-woanders? Du mußt es nur sagen.«
Er rieb sich durchs Gesicht und sagte mit erstaunlich klarer Stimme: »Wir können uns im Gelben Segel treffen. Nach dem dritten Wachwechsel. Geht das?« Ich nickte und griff nach dem Türknauf.
»Elloran?« fragte er. Ich drehte mich um. Er sah mich an. Anscheinend wußte er nicht, was er sagen sollte. »Morgen«, sagte er hilflos. Ich nickte. »Morgen, Nik.«
Draußen lehnte ich mich für eine Minute an die Hauswand und grub zittrig nach meinem Glückskraut. Ich wünschte es in Brand und sog heftig daran. Ihr Götter, wie sollte ich das nur anstellen! Es hatte keinen Sinn, jetzt zum Galgenhügel zurückzukehren, die anderen waren auf dem Weg nach Osten. Ich mußte es in den nächsten Tagen irgendwie schaffen, Nikal so weit klar zu kriegen, daß er mir folgte, aber nur die Göttin wußte, wie mir das gelingen sollte! Entmutigt marschierte ich durch die feuchte Kälte in das Blaue Viertel zurück.
Katarin war auf den Beinen, anscheinend war sie auch gerade erst nach Hause gekommen. Sie sah nicht viel besser aus, als ich mich fühlte. »Auch noch einen Tee vor dem Schlafengehen?« fragte sie. Wir hockten am Tisch und schlürften das heiße Gebräu. »Wie war das Geschäft?« Ich holte stumm meinen Gewinn aus der Tasche und schob ihn ihr rüber. Sie starrte die Münzen an und sagte müde: »Ganz gut für das beschissene Wetter.« Sie schob das Geld zurück.
»Nimm dir d-deinen Teil«, forderte ich sie auf.
Sie riß die schweren Lider auf und sah mich verwirrt an. »Was meinst du? Deine Miete hast du doch gestern schon bezahlt.«
Jetzt war ich an der Reihe, verwirrt zu blicken. »Aber ich d-dachte, du bekommst einen Anteil davon. Ich arbeite doch f-für dich.«
Sie warf den Kopf in den Nacken und lachte. »Ach du lieber Himmel! Ist das so in Corynn? Elloran, ich verdiene doch an dir! Du gehst mit deinen Kunden in mein Gästehaus, du bezahlst dort Zimmermiete – gut, etwas weniger, als wir die Kunden glauben machen – und du versuchst, ihnen irgendein Getränk aufzuschwatzen. Daran verdiene ich schon genug, danke dir. Ansonsten bin ich nicht anders gestellt als du oder Daron oder Jannin. Ich sorge nur im allgemeinen Interesse dafür, daß hier im Viertel ein wenig Ordnung herrscht, das ist alles. Das könnte auch jeder von euch tun.« Sie gähnte und stand auf. »Hast du deinen Freund aufgetrieben?« fragte sie und begann, sich auszuziehen. Ich zog eine Grimasse und nickte. »Na, prima«, sagte sie. »Dann schlaf gut.« Sie schloß die Tür ihrer Kammer, und ich folgte ihrem Beispiel.
Ich stand erst am späten Mittag auf. Katarin hatte wie ich einen Blick zum Fenster hinausgeworfen, den trübfeuchten Nebel draußen gesehen und sich gleichfalls entschieden, im Bett zu bleiben. Bei unserem späten Frühstück fragte ich Katarin, wo ich Tomas finden könnte. Jemainas Vorräte waren aufgebraucht, und ich mußte mich nun wirklich dringend um Nachschub kümmern.
»Tomas«, sagte sie und klopfte nachdenklich gegen ihren Becher. »Warte mal, um diese Tageszeit müßte sie im Singenden Kamel sein. Wenn sie keine Kunden hat, heißt das. Aber bei dem Wetter ...« Sie schauderte und goß sich heißen Tee nach.
Ich blickte hinaus. »Bei mir zu H-Hause liegt um diese Jahreszeit meist r-richtig hoher Schnee«, sagte ich leise. »Seltsam, Salvok liegt doch eigentlich nicht s-so viel weiter nördlich.«
Katarin rekelte sich und schwieg. Das Thema reizte sie anscheinend nicht besonders. »Wie war das Treffen mit deinem Freund?« fragte sie.
»Unangen-nehm.«
»Ist er Darons verrückter Kunde?«
»Ja.«
Sie sah mich aufmerksam an und fragte nicht weiter, meine knappen Antworten hatten ihr wohl klar gemacht, daß ich nicht über mein Zusammentreffen mit Nikal reden
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