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Ellorans Traum

Ellorans Traum

Titel: Ellorans Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances G. Hill
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uns hineingehen«, schlug sie vor.
    Drinnen brannte schon ein freundliches Feuer im Kamin. Jemaina setzte einen Kessel mit Wasser auf, um Tee zu kochen. Auch dieses Ritual würde mir schrecklich fehlen. Wäre es nicht so viel einfacher, hierzubleiben und mein Leben weiterzuleben wie bisher? Vielleicht hatte Ellemir recht. Warum sollte ich nicht den sauren Gang antreten und meinen Vater um Vergebung bitten? Oder ich wartete einfach ab, irgendwann mußte sein Groll gegen mich doch abgeklungen sein. Vor meinem Auge erschien der Blick unversöhnlichen Hasses, mit dem Morak mich bedacht hatte, als wir zuletzt miteinander sprachen. Mir wurde mit schmerzlicher Klarheit bewußt, daß mein Vater mir niemals verzeihen würde. Er haßte mich seit meiner Geburt, er haßte meine Zuneigung zu Nikal – er haßte alles, was ich war und jemals sein würde. Warum begriff ich das erst jetzt?
    Jemaina stellte einen dampfenden Becher vor mich hin und reichte mir den Honigtopf. Dankbar löffelte ich etwas von der süßen, goldenen Masse in meinen Tee, pustete darüber und schlürfte dann vorsichtig einen kochendheißen Schluck.
    »So, und jetzt rück raus damit«, sagte sie. »Was hast du auf dem Herzen?«
    »Ich gehe fort, Jemaina. Ich reise morgen mit Tom und Akim ab, sie nehmen mich mit zur Kronenburg.«
    Jemaina schwieg. Dann lächelte sie mich ermutigend an. »Das ist gut, Elloran. Du hast dir die richtigen Reisegefährten ausgesucht. Weiß deine Mutter, daß du ...«
    »Nein«, fiel ich ihr ins Wort. »Nein«, wiederholte ich etwas leiser. »Niemand weiß es, du bist die einzige. Ich befürchte, sie würden mich sonst nicht fortlassen. Ich schreibe Ellemir einen Brief, das muß reichen.«
    Sie nickte. »Ich werde schweigen, Elloran. Aber dir ist klar, daß Morak vor Wut zerspringen wird. Wahrscheinlich schickt er dir Soldaten hinterher, sobald er merkt, daß du ausgerissen bist.«
    Das hatte ich nicht bedacht. Oder, wenn ich ehrlich war, hatte ich es nicht sehen wollen. Aber Jemaina hatte recht, das sähe Morak ähnlich. Ob er mich nun haßte oder nicht, ich war sein Sohn und sein Eigentum, und mein Vater trennte sich nie freiwillig von etwas, das ihm gehörte. Ich biß mir auf die Lippen. Ich hatte Tom versprochen, daß sie keinen Ärger bekämen, wenn sie mich mitnahmen. Jemainas Einwand ließ mich jetzt an meinem Versprechen zweifeln. Hilfesuchend sah ich sie an. Sie dachte nach. Dann stützte sie die Hände auf den Tisch und sagte entschlossen: »Ich kann dir helfen. Ich gehe morgen in der Frühe zu Hjelvor und sage ihm, du lägest krank mit Fieber im Bett. Dann hat er keinen Grund, gleich zu deinem Vater zu rennen und dein Fernbleiben zu melden. Bis meine Lüge auffliegt, bist du hoffentlich so weit fort, daß sie dich nicht mehr einholen können. Vielleicht kommt Morak dann auch gar nicht mehr auf den Gedanken, daß du mit Akim und Tom gefahren bist.« Sie wirkte sehr zufrieden, aber ich sorgte mich.
    »Jemaina, Morak wird wissen, daß du ihn belogen hast. Er wird dich schrecklich bestrafen!«
    »Ach was! Ich habe keine Angst vor ihm.« Nachdenklich fuhr sie fort: »Es wird ohnehin Zeit, daß auch ich fortgehe. Ich würde gerne meine Heimat wiedersehen, und wenn ich noch lange warte, werde ich zu alt sein für die weite Reise.« Sie sah mich an. »Ach, bei Denen-Die-Sind, jetzt weine doch nicht, Elloran! Es ist wirklich hohe Zeit, daß du von hier fortkommst. Sei doch froh darüber!« Sie kam um den Tisch und nahm mich in den Arm, als wäre ich noch ein kleines Kind. Sie wiegte mich sanft und murmelte: »Wir werden uns wiedersehen, Elloran. Ganz bestimmt sehen wir uns wieder.« 

7
    M üde hockte ich am Straßenrand und kaute lustlos auf einem trockenen Kanten Brot herum. Es nieselte leicht, und ich fröstelte in der kühlen Morgenluft. Ich hatte vor Aufregung lange wachgelegen und war erst kurz bevor ich aufstehen mußte, etwas eingenickt. Ich hatte wirr und schwer geträumt. Obwohl ich mich nicht an ihn erinnern konnte, bedrückte der Traum mich noch immer. Ich kroch tiefer in die warme Wolljacke, die ich angesichts des naßkalten Wetters für nötig gehalten hatte, und steckte meine klammen Finger tief in die Taschen. Ich war ohne Probleme ungesehen aus der Burg hinausgekommen und wartete nun mit wachsender Ungeduld auf meine Reisegesellschaft. Jemaina hatte dem Stallmeister inzwischen wahrscheinlich schon meine Abwesenheit erklärt. Bei dem Gedanken an die Folgen, die diese Lüge für sie haben könnte, wurde mir trotz

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