Ellorans Traum
temperamentvoll, stieß heftig mit dem Fuß auf und protestierte, und Jirin flüsterte meiner Mutter etwas zu, worüber beide herzlich lachten. Noryna wurde noch wütender, aber meine Mutter ergriff sie bei der Hand und zog sie an sich. Die drei Frauen umarmten sich. Es war ein schönes, friedvolles Bild und paßte wunderbar zu meiner melancholischen Stimmung.
Ich mußte wohl eine Bewegung oder ein Geräusch gemacht haben, denn Ellemir sah auf.
»Oh, mein Sohn, der Stallbursche, gibt mir die Ehre seines Besuches«, flötete sie. »Komm ruhig näher, Elloran. Ich hoffe doch, du warst so rücksichtsvoll, dich gründlich zu waschen, ehe du hierher kamst.« Sie wandte sich an ihre kichernden Freundinnen: »Er stinkt nämlich ganz unerträglich, müßt ihr wissen.« In gespieltem Ekel hielt sie sich ein parfümiertes Taschentuch vor die Nase, als ich jetzt neben sie trat und ihr die Hand küßte. Sie rümpfte das Näschen und schob mich fort. »Puh, wirklich, Elloran! Der Stallgeruch folgt dir überall hin. Ich hoffe doch sehr, daß das irgendwann einmal aufhört!« Ich biß die Zähne aufeinander. Wenn Ellemir in dieser Stimmung war, hatte es keinen Sinn, mit ihr ernsthaft reden zu wollen. Ich versuchte es trotzdem.
»Mutter, kann ich alleine mit dir sprechen?«
»Aber warum denn?« Sie sah ihre Freundinnen erstaunt an. »Was gibt es denn so Geheimnisvolles, daß meine lieben Freundinnen es nicht hören dürfen?«
»Mutter, ich möchte einfach nur ein wenig mit dir plaudern, nichts weiter«, sagte ich, obwohl ich wußte, daß ich auf taube Ohren stieß.
Sie wedelte nur mit ihrem zarten Taschentuch vor ihrem Gesicht herum und jammerte: »Aber Elloran! Du kannst wirklich nicht von mir verlangen, daß ich mit dir ein Plauderstündchen halte, solange du so entsetzlich nach Mist riechst. Ich bitte dich! Versöhne dich endlich mit deinem Vater, damit er dich aus diesem schrecklichen Stall holt. Dann können wir gerne miteinander schwatzen, aber im Augenblick ...« Sie verdrehte die Augen und jammerte leise. Die drei Frauen umarmten sich und lachten mich gemeinsam aus. Mit hochrotem Kopf stürmte ich aus dem Gemach.
Draußen rannte ich beinahe meine alte Amme über den Haufen. Ich griff noch rechtzeitig nach ihren Schultern und bewahrte sie vor dem Sturz. Ihre wäßrigen blauen Augen blinzelten kurzsichtig zu mir auf. Dann strahlte ihr runzliges Gesicht unter der weißen Haube freudig auf.
»Elloran, mein Liebes!« Ich beugte mich hinab und küßte sie auf ihre weiche faltige Wange. »Malima, ich wollte dir noch eine gute Nacht wünschen. Und dir für alles danken, was du für mich getan hast.« Sie lächelte mich an und umarmte mich.
»Das ist lieb von dir, mein Kind. Auch dir eine gute Nacht.« Sie tätschelte noch einmal meine Hand. Die Tür schloß sich hinter ihr, und ich hätte weinen können. Aber ich konnte ihr doch nicht sagen, daß ich fortging! Sie hätte es sofort Ellemir verraten, und damit wäre mein Plan gescheitert.
Jetzt stand mir noch ein letzter Abschied bevor, wohl der schmerzlichste von allen. Ich ging langsam durch Jemainas Kräutergarten, roch den Duft der blühenden und grünenden Pflanzen, und mein Herz war schwer. An einem frisch umgegrabenen Beet ging ich in die Hocke und grub meine Hände tief hinein. Ich nahm eine Handvoll der lockeren, weichen Erde, die von der Sonne noch warm war und sich doch gleichzeitig kühl und etwas feucht anfühlte, und hielt sie unter meine Nase. Ob ich diesen Geruch wohl jemals vergessen würde? Hinter mir lachte jemand. Ertappt ließ ich die Erde zu Boden rieseln und klopfte meine Hände ab, bevor ich mich umdrehte.
»Du hast noch Erde an der Nase«, lächelte Jemaina und wischte mir mit ihrer warmen Hand übers Gesicht. Dann sah sie mich fragend an. »Was ist mit dir, Elloran? Bedrückt dich etwas?«
Ich schluckte den Kloß hinunter, der mir im Hals saß. Jemaina nahm meinen Ellbogen und schob mich sanft, aber bestimmt zu der Bank vor ihrer Kate. Dort ließ sie mich niedersitzen und nahm neben mir Platz. Wir schwiegen eine lange, friedliche Weile. Jemaina ergriff meine Hand und streichelte sie sanft. Sie lächelte, aber ihre Augen waren traurig. Ich legte einen Arm um sie und drückte sie fest an mich. Sie legte ihren Kopf an meine Schulter, und ich fühlte, wie ein unhörbarer Seufzer ihren Körper erschütterte. So saßen wir stumm und in trübe Gedanken versunken, bis die Nachtluft kühl wurde. Jemaina schauderte und löste sich von mir.
»Komm, laß
Weitere Kostenlose Bücher