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Ellorans Traum

Ellorans Traum

Titel: Ellorans Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances G. Hill
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sagte Julian beleidigt, und der Vogel flog auf. Ich sah ihm nach, wie er in einem schwarz-silbernen Aufblitzen hinter der Kuppe des nächsten Hügels verschwand und schlug in ohnmächtiger Wut mit der Faust auf den Sitz. Uliv blickte mich verwundert an. Ich schnitt eine Grimasse und bedeutete ihm, es sei alles in Ordnung.
    Am frühen Mittag erreichten wir das Gehöft von Ulivs Nachbarn Senn. Er stand im Hof: ein großer, dickbäuchiger Mann mit struppigem Haar und einem jovialen, dunkelroten Gesicht. Uliv erklärte ihm unser Anliegen. Senn kratzte sich nachdenklich am Kopf. Seine kleinen, listigen Augen musterten mich scharf, und ich erwiderte seinen Blick so freimütig, wie es mir möglich war. Dann grinste der Bauer, wobei er etliche schadhafte Zähne enthüllte, und schlug mir auf die Schulter, daß ich in die Knie ging.
    »Meinetwegen, ich nehme den Burschen mit«, brüllte er. »Es schadet nicht, wenn ein zweites Paar Augen die Ladung im Blick behält. Sehen kann er ja wohl, oder?« Sein dröhnendes Lachen entlaubte mit einem Schlag alle umstehenden Bäume und ließ die Vögel in Scharen tot vom Himmel fallen. Ich rieb mir mit verzerrtem Grinsen meine schmerzende Schulter und dachte mit Schrecken an die folgende Fahrt. Zwei oder drei Tage neben Senn auf einem Wagen würden mich mit Sicherheit zusätzlich zu meinem Sprachproblem auch noch ertauben lassen.
    Uliv warf mir einen verstohlen mitfühlenden Blick zu und reichte mir die Hand. »Mach's gut, Junge«, sagte er schwerfällig und ging zurück zu seinem Karren, von dem ein Knecht inzwischen die für die Kronstadt bestimmten Getreidesäcke auf Senns Wagen umgeladen hatte. Er winkte mir noch einmal zu, dann rollte sein Karren vom Hof, den Weg zurück, den wir gekommen waren. Ich stand mit meinem Bündel etwas verloren in Senns Hof herum. Er kommandierte derweil seine schwitzenden Knechte herum, biß zwischendurch in ein Brot, das mit einem halben Schwein belegt war, soff den Ertrag eines mittelgroßen Weinbergs aus und fluchte, daß mir angst und bange wurde. Ich hatte in meinem Leben von meinen Lehrern und Freunden einiges an deftigen Flüchen zu hören bekommen, aber dieser Mann entlarvte beide im nachhinein als saftlose Knäblein und blutige Anfänger in dieser edlen Kunst. Vielleicht würde diese Fahrt doch noch ganz lehrreich werden – falls ich sie heil überstand.
    Endlich war alles zu seiner Zufriedenheit geregelt, er stieg auf den ächzenden und unter seinem Gewicht protestierenden Kutschbock und winkte mir ungeduldig zu. »Was ist, Bürschchen? Brauchst du eine Einladung?«
    All meinen Befürchtungen zum Trotz wurde es ein unterhaltsamer Tag. Senn hatte keine Probleme mit meiner Stummheit, er sprach für uns beide. Zwischendurch trank er aus einem gutgefüllten Weinschlauch, den er mir immer wieder anbot, und sang mit erstaunlich wohlklingender Stimme erstaunlich schlüpfrige Lieder, die ich mir für den Fall merkte, daß ich irgendwann einmal wieder Tom über den Weg laufen sollte. Er würde sie zu schätzen wissen, da war ich sicher. Ich war inzwischen ganz und gar nicht mehr nüchtern, hatte ich doch noch nie etwas Berauschenderes als Apfelwein zu mir genommen – und auch den nie in solchen Mengen.
    Zum ersten Mal in meinem Leben betrunken, schlief ich in dieser Nacht auf dem Karren, meinen Kopf auf mein Bündel gebettet. »Schrei, wenn Diebe kommen«, hatte Senn grinsend gesagt, ehe er, anscheinend noch genauso nüchtern wie am Morgen, mit schweren Schritten in der Schänke verschwand, vor deren Tür wir zur Nacht Halt gemacht hatten.
    Ich wurde früh wach, geweckt von meinen rebellierenden Eingeweiden. Ich erbrach gründlich alles, was ich zuvor getrunken hatte, stolperte zum Brunnen und steckte meinen dröhnenden Kopf in einen Eimer mit eisig kaltem Wasser. Tropfend, mit geschwollenen Augen, blinzelte ich in meine Umgebung. Neben mir auf dem Brunnenrand saß Magramanir und sah mich spöttisch an.
    »Na, mein Kleiner? Ein bißchen gebechert gestern?« zog Julian mich auf. Ich ächzte nur. Magramanir legte den Kopf schief. »Sprichst du immer noch nicht mit mir?« fragte er. Ich deutete verzweifelt auf meinen Mund und schüttelte heftig den Kopf. »Ja, das habe ich ja nun begriffen«, klang es etwas ungeduldig aus dem Schnabel. »Erspare mir bitte weitere mittelmäßige Pantomimen. Wie stellst du dir also jetzt unsere Verständigung vor?« Ich hob die Schultern. Sollte er sich doch den Kopf darüber zerbrechen; wer von uns beiden war denn hier

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