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Ellorans Traum

Ellorans Traum

Titel: Ellorans Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances G. Hill
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ärgerte mich über mich selbst. Ich kannte doch die Bauern von Salvok, welcher von ihnen konnte schon lesen oder schreiben? Aber diese Familie überraschte mich erneut. Leena schob ihre Älteste vor, und sie las ohne Stocken mit lauter, klarer Stimme meine Mitteilung vor. Ich grinste sie erstaunt an. Ihre unvermutete Fähigkeit würde mir meinen weiteren Aufenthalt hier sehr erleichtern.
    Jetzt war natürlich erst einmal keine Rede mehr vom Schlafengehen. Dicht umringt von der Familie und mit der schlaftrunkenen Magali auf dem Schoß mußte ich nun schriftlich etliche Fragen beantworten. Rhian, als meine Dolmetscherin, saß mit glühenden Wangen und stolzem Gesicht neben mir und las alles vor, was ich auf die verschmierte Tischplatte schrieb. So erfuhren sie meinen Namen und die rasch zurechtgestrickte Lebensgeschichte eines Bauernjungen, der auf dem Weg zu seinen Großeltern war. Aus einem Gefühl heraus, das ich mir selbst nicht erklären konnte, schreckte ich davor zurück, mich hier als der in Ungnade gefallene und daraufhin durchgebrannte Sohn eines Burgherren zu erkennen zu geben.
    Endlich war die gröbste Neugier gestillt, und der Bauer scheuchte seine Herde zu Bett. Ich wischte noch meine letzten Worte vom Tisch und kehrte zu meinem einsamen Strohlager zurück. Mit trockenen, brennenden Augen lag ich in der warmen, heuduftenden Dunkelheit und sehnte mich mit jeder Faser meines Körpers nach Tom.
    Das sollte meine letzte schlaflose Nacht für die nächsten Wochen bleiben. Nach den langen, heißen Tagen auf den endlosen Weizenfeldern Ulivs schlief ich gewöhnlich wie ein Stein. Die Arbeit tat mir wohl, meine träge und schlaff gewordenen Muskeln kräftigten sich, und die Sonne tat ihren Teil dazu, daß ich bald genauso braungebrannt, sommersprossig und lebhaft wie Ulivs Kinder zwischen den frisch gebundenen Garben herumsprang. Immer häufiger fühlte ich Rhians helle Augen auf mir ruhen, neugierig und interessiert. Wir arbeiteten gut zusammen, und der Bauer schien keine Einwände dagegen zu haben, selbst wenn sich unsere Hände etwas öfter berührten, als eigentlich nötig gewesen wäre. Er schmunzelte nur und sagte nichts dazu.
    An einem besonders schwülen Tag, als wir auf dem letzten noch nicht abgeernteten Feld arbeiteten, suchten Rhian und ich zur Mittagszeit den schattigen Schutz einer dichten, niedrigen Sichelbuche auf, die uns den Blicken der anderen fast vollständig entzog. Ich warf mich in das kühle Gras und wischte mir den Schweiß von der verbrannten Stirn. Mein Haarband hatte sich gelöst, und ich griff nach hinten, um es neu zu binden.
    Rhian nahm meine Hand und bat: »Laß es offen, Elloran.« Ich sah sie groß an. Sie löste ihren Griff nicht, sondern faßte noch fester zu und zog mir das Lederband aus den Fingern. Spielerisch schlang sie es um meinen Nacken und zog daran. Ich neigte mich folgsam zu ihr hin. Sie legte ihre kleine, kräftige Hand auf mein Gesicht und strich zögernd darüber. Ihre Augen hatten die Farbe des Sommerhimmels, und in der runden, braunen Stirn ringelten sich feuchte, weißgebleichte Löckchen. Sanfte Röte übergoß ihr Gesicht. Die Lippen leicht geöffnet, sah sie mich an, plötzlich scheu geworden von ihrer eigenen Verwegenheit. Sie beugte sich vor und gab mir einen schnellen, federleichten Kuß auf den Mund. Dann sprang sie auf und lief fort, mein Haarband immer noch zwischen den Fingern.
    Ich ließ mich zurücksinken und stöhnte. Diese Episode erklärte hinlänglich das seltsame, wohlwollende Grinsen, das Ulivs Gesicht neuerdings immer dann zeigte, wenn er Rhian und mich zusammen sah. Anscheinend hatte ich mich als annehmbarer Schwiegersohn in spe eingeführt, stumm hin, stumm her. Immerhin konnte sich Rhian ja ohne Schwierigkeiten mit mir verständigen. Einen Augenblick lang gab ich mich dem Tagtraum hin: verheiratet mit der Erbin eines nicht gerade kleinen Hofes zu sein, einer Frau, die hübsch, klug und fleißig war; Schwiegereltern, die ich zu schätzen, wenn nicht sogar zu lieben gelernt hatte und die mich sichtlich gerne hatten ... was wäre falsch an einem solchen Leben? Ich schloß die Augen, überwältigt von diesem Gedanken.
     
    »Hältst du das für klug? Was wird dir ein Bauer bei deinen Plänen nützen?«
    »Oh, er wird nicht bleiben. Vergiß nicht, ich kenne ihn schon lange und besser als du.«
    Glucksendes Gelächter. »Täuschst du dich auch nicht, mein Sohn?«
    Brüsk: »Du bist am Zug, alte Frau.«
    Rufende Stimmen, die mich aufschreckten.

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