Elric von Melnibone
Gesicht des gebeugten Mannes war ein freudiges Lächeln, während er einen Teil der Rüstung nach dem anderen und jede der vorzüglich ausbalancierten Waffen mit langen, knochigkrummen Fingern berührte. Sein faltiges Gesicht hob sich und musterte Elrics sorgengeplagte Züge. »Ach, mein Lord! Ach, mein König! Bald wirst du die Freuden des Kämpfens erleben!«
»Aye, Krummknochen - wir wollen hoffen, daß es eine Freude wird.«
»Ich habe dir alles beigebracht - die Kunst des Schwert- und Dolchkampfes, die Kunst des Bogenschießens und des Lanzenzweikampfes im Sattel wie zu Fuß. Und du hast dich gut geschlagen, obgleich alle behaupten, du seist schwach. In ganz Melnibone gibt es keinen besseren Schwertkämpfer als dich - bis auf einen.«
»Prinz Yyrkoon könnte besser sein als ich«, sagte Elric nachdenklich. »Nicht wahr?«
»Ich sagte ›bis auf einen‹, mein Lord.«
»Und dieser eine ist Yyrkoon. Nun, vielleicht ergibt sich eines Tages Gelegenheit, diese Frage zu klären. Ich bade noch, ehe ich all das viele Metall anlege.«
»Du solltest dich beeilen, Herr. Wie zu hören ist, gibt es viel zu tun.«
»Und nach dem Bade schlafe ich.« Elric lächelte über die Verwirrung seines alten Freundes. »So ist es besser, denn ich kann die Barken ja nicht selbst an Ort und Stelle dirigieren. Ich werde gebraucht, um den Angriff zu befehligen - und das kann ich besser, wenn ich ausgeruht bin.«
»Wenn du es für gut hältst, Lord König, dann ist es gut.«
»Du bist erstaunt. Du bist viel zu scharf darauf, Krummknochen, mich in all die Sachen zu stecken und mich darin herumstolzieren zu sehen, als wäre ich Arioch persönlich.«
Krummknochens Hand flog an seinen Mund, als habe nicht sein Herr die Worte gesprochen, sondern er, und als versuche er sie aufzuhalten. Er riß die Augen auf.
Elric lachte: »Du meinst, ich spreche kühne Ketzerworte, wie? Nun, ich habe schon Schlimmeres geäußert, ohne daß mir ein Unglück widerfuhr. Krummknochen, auf Melnibone herrschen die Könige über die Dämonen und nicht umgekehrt.«
»Das sagst du, mein Herr.«
»Es stimmt.« Mit schnellen Schritten verließ Elric den Raum und rief nach seinen Sklaven. Das Kampffieber erfüllte ihn, und er war bester Laune.
Jetzt trug er all seine schwarzen Sachen, den massiven Brustschild, das gepolsterte Wams, die langen Beinschienen, die metalldurchwirkten Handschuhe. An seiner Seite hing ein fünf Fuß langes Breitschwert, das der Überlieferung zufolge einem menschlichen Helden namens Aubec gehört hatte. An der goldenen Reling der Brücke lehnte der große runde Schild mit dem Zeichen des herabstoßenden Drachens. Auf dem Kopf trug er einen schwarzen Helm, über dessen Spitze sich ein Drachenkopf neigte, darüber nach hinten gebreitete Drachenflügel und im Nacken ein abwärts geringelter Drachenschwanz. Der Helm war völlig schwarz, doch innerhalb des Helms bewegte sich ein weißer Schatten, in dem zwei rote Punkte schimmerten, und unter dem Rand des Helms ragten milchigweiße Haarlocken hervor wie Rauch, der einem brennenden Gebäude entweicht. Und als sich der Helm im schwachen Licht der Laterne am Fuße des Hauptmasts drehte, verfestigte sich der weiße Schatten zu Gesichtszügen, feingeschnittenen, hübschen Zügen, eine gerade Nase, geschwungene Lippen, schrägstehende Augen. Das Gesicht des Herrschers Elric von Melnibone starrte in das Dunkel des Labyrinths, während er auf die ersten Geräusche wartete, die das Herannahen der Angreifer anzeigten.
Er stand auf der hohen Brücke der großen goldenen Kampfbarke, die vom Typ her einem schwimmenden Zikkurat mit Masten und Segeln und Rudern und Katapulten ähnelte. Das Schiff hieß Sohn des Pyaray und war das Flaggschiff der Flotte. Großadmiral Magum Colim stand neben Elric. Er gehörte wie Dyvim Tvar zu Elrics wenigen guten Freunden. Er kannte Elric seit seiner Kindheit und hatte ihn ermutigt, möglichst viel über Kampfschiffe und Kampfflotten zu lernen. Insgeheim mochte Magum Colim fürchten, daß Elric zu gelehrt und grüblerisch veranlagt war, um in Melnibone zu herrschen, doch er nahm Elrics Recht auf diese Herrschaft hin und reagierte zornig und ungeduldig auf das Gerede von Leuten wie Yyrkoon. Prinz Yyrkoon befand sich ebenfalls an Bord des Flaggschiffs, wenn auch im Augenblick unter Deck, beim Inspizieren der Kriegsmaschinerie.
Die Sohn des Pyaray lag in einer riesigen Grotte vor Anker, in einer von Hunderten, die in die Kanalwände gehauen wurden, als dieses Labyrinth
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