Elric von Melnibone
Elric taumelte von einer Leiche zur nächsten und hatte dabei den Eindruck, daß die meisten Männer an Herzversagen gestorben waren.
»Dyvim Tvar!« Elric legte dem Freund eine Hand auf die Schulter. »Dyvim Tvar?«
Dyvim Tvar hob den Kopf vom Arm und blickte Elric in die Augen. In Dyvim Tvars Blick lag die Erfahrung von einem Dutzend Jahrtausenden, und zugleich Ironie. »Ich lebe noch, Elric.«
»Nur wenige haben es überstanden, Lord der Drachenhöhlen. Nur sehr wenige.«
Da sie den Spiegel nicht mehr zu fürchten brauchten, verließen sie kurz darauf das Lagerhaus und stellten fest, daß die Straßen voller Toter waren, die die Erinnerungen des Spiegels aufgenommen hatten. Erstarrte Körper streckten flehend die Hände nach ihnen aus. Auf toten Lippen lagen stumme Hilfeschreie. Elric versuchte nicht näher hinzuschauen, während er zwischen ihnen hindurcheilte, doch sein Wunsch nach Rache an seinem Cousin war stärker denn je.
Sie erreichten das Haus. Die Tür stand auf, und das Erdgeschoß war voller Leichen. Von Prinz Yyrkoon keine Spur.
Elric und Dyvim Tvar führten die wenigen Imrryrier, die sich ihre geistige Gesundheit bewahrt hatten, an weiteren flehenden Toten vorbei und erreichten schließlich das oberste Stockwerk des Gebäudes.
Hier fanden sie Cymoril.
Sie lag nackt auf einer Couch. Runen waren auf ihr Fleisch gemalt worden, Runen, die für sich schon obszön waren. Ihre Lider waren schwer, und sie erkannte die Eintretenden nicht sofort.
Elric eilte zu ihr und nahm sie in die Arme. Ihr Körper fühlte sich seltsam kühl an.
»Erer läßt mich - schlafen.«, sagte Cymoril. »Ein Zauberschlaf - aus dem - nur er - mich wecken kann.« Ihr Kopf fiel haltlos herab. »Ich bin -so lange - wach geblieben - mit großer Willensanstrengung - denn Elric - kommt.«
»Elric ist da«, sagte ihr Liebster leise. »Ich bin Elric, Cymoril.«
»Elric?« Sie entspannte sich in seinen Armen. »Du - mußt Yyrkoon finden - denn nur er kann mich wecken.«
»Wohin ist er?« Elrics Gesicht verhärtete sich. Seine roten Augen blitzten zornig. »Wohin?«
»Er will die beiden schwarzen Schwerter suchen - die Runenschwerter - unserer - Vorfahren - Trauerklinge.«
». und Sturmbringer«, sagte Elric grimmig. »Auf diesen Schwertern liegt ein Fluch. Aber wohin ist er verschwunden, Cymoril? Wie ist er uns entwischt?«
»Durch.durch. durch das - Schattentor - er beschwor es herauf - um das zu ermöglichen, schloß er die übelsten Pakte mit Dämonen. Im -anderen - Zimmer.«
Cymoril war eingeschlafen, doch auf ihrem Gesicht war eine Art Friede eingekehrt.
Elric blickte hinter Dyvim Tvar her, der mit blankem Schwert das Zimmer durchquerte und die Tür aufriß. Ein fürchterlicher Gestank wallte aus dem Nebenzimmer herein, in dem es dunkel war. Auf der gegenüberliegenden Seite flackerte etwas.
»Aye - Zauberei, kein Zweifel«, sagte Elric. »Yyrkoon ist mir wieder einmal entwischt. Er zauberte das Schattentor herbei und trat hindurch in irgendeine Unterwelt. In welcher er sich aufhält, werde ich nie erfahren, denn es gibt unzählige. O Arioch, viel würde ich geben, könnte ich meinem Cousin folgen!«
»Dann sollst du ihm folgen«, sagte eine leise, sarkastische Stimme in Elrics Kopf.
Im ersten Augenblick dachte der Albino, ihn suche ein Fetzen jener Erinnerungen heim, die sich noch immer in seinem Kopf festsetzen wollten, aber dann erkannte er, daß Arioch zu ihm sprach. »Schicke deine Gefolgsleute fort, damit ich mit dir sprechen kann«, sagte Arioch.
Elric zögerte. Er wollte zwar allein sein - aber nicht mit Arioch. Er wollte bei Cymoril sein, denn Cymoril war in einem bejammernswerten Zustand. Tränen rannen aus seinen roten Augen.
»Was ich zu sagen habe, könnte dazu führen, daß Cymoril in den Normalzustand zurückversetzt wird«, sagte die Stimme. »Außerdem wird es dir dabei helfen, Yyrkoon zu besiegen und dich an ihm zu rächen. In der Tat könnte es dich zum mächtigsten Sterblichen machen, den es je gegeben hat.«
Elric blickte Dyvim Tvar an. »Würdest du mich mit deinen Männern bitte einen Augenblick allein lassen?«
»Aber ja.« Dyvim Tvar führte seine Leute hinaus und schloß die Tür hinter sich.
Im nächsten Augenblick lehnte Arioch an dieser Tür. Wieder trat er in Gestalt und Haltung eines hübschen Jünglings auf. Sein Lächeln war freundlich und offen, und nur die alten Augen widersprachen dieser Erscheinung.
»Es ist Zeit, daß du dich ebenfalls um die schwarzen Schwerter bemühst,
Weitere Kostenlose Bücher