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Elsas Küche: Roman (German Edition)

Elsas Küche: Roman (German Edition)

Titel: Elsas Küche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Fitten
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bekommen und am Ende imstande sein, den Schlamassel auszulöffeln. Es musste eine Antwort auf ihre Fragen geben.
    Als das Restaurant am Nachmittag schloss, machte sie sich daher zu einem Erkundungsgang in die Stadt auf, bei dem sie auch ihre Seele erforschte. Ihr Küchenchef geleitete sie aus Höflichkeit zur Tür und fragte, ob er sie begleiten solle. Doch Elsa hielt inne und schüttelte den Kopf. Sie brauchte ihn nicht. Sie wusste, dass er ihr nicht helfen konnte, und erklärte, er solle lieber die neue Konditorin kennenlernen, eine junge Dame, die gerade am Kochinstitut ihr Diplom gemacht hatte. Sie hieß Dora, war soeben eingestellt worden und schien Talent zu haben.
    »Alles in Ordnung?«, fragte der Küchenchef und blickte sie besorgt an. Ihm fiel auf, dass ihr Gesicht seit Kurzem verhärmt wirkte, doch er sagte es nicht. »Heute bist du sehr spät gekommen. Das Mittagessen war schon fast vorbei.«
    »Mir geht’s gut«, sagte sie. »Du hast sowieso alles unter Kontrolle. Du brauchst mich nicht.«
    Der Küchenchef versuchte, sie auf die Wange zu küssen, doch da sie vor dem Restaurant standen, entzog Elsa sich. Noch bevor er sie berühren konnte, tat sie einen Schritt beiseite und lief energisch davon.
    »Wo gehst du hin?«, fragte der Küchenchef. »Du wohnst doch da drüben.«
    »Ich geh, wohin es mir passt«, fuhr Elsa ihn an, und sofort tat es ihr leid. Er wollte ihr ja nur helfen. Wie ein Retriever, dachte sie. Er stand mit geneigtem Kopf vor dem Restaurant und wirkte verwirrt, als hätte er einen unberechtigten Tritt bekommen. »Du kannst später zu mir in die Wohnung kommen«, sagte sie.
    Sie winkte ihm zu und lief weiter, nicht zu ihrer Wohnung und in die entgegengesetzte Richtung zur Innenstadt. Sie wollte Winkel der Stadt erkunden, die sie noch nicht kannte.Die Stadt war groß genug, und es gab immer Ecken, die sie neu erforschen und besser kennenlernen konnte. In manchen Vierteln in Délibáb konnte sie sich sogar verirren.
    Elsa begann bei der Kirche, weil sie davon ausging, dass die Stadt so angelegt war, dass die Kirche stolz im Stadtzentrum aufragte, und die Stadt sich strahlenförmig darum ausbreitete.
    Anfangs lief sie ziellos die Promenade zum Bahnhof entlang, an den zahllosen Läden und Boutiquen vorbei, die überall endlos Waren feilboten – von Schals über Sonnenbrillen bis hin zu exotischen Ferienzielen und Fastfood. Ganz anders als früher wurde sie mit einer Fülle von Angeboten bombardiert. Elsa lief planlos durch diesen Überfluss und fragte sich, wie sich all das halten konnte, wer all die Dinge kaufen sollte. Sie hatte das Gefühl, darin zu verschwinden. In allen Handyläden, Lebensmittelläden und Boutiquen, in allen Warenhäusern – überall Plakate mit lächelnden Gesichtern. Kein einziges Plakat passte zu ihrer Laune. Jetzt passierte sie das neue Einkaufszentrum. Sie musste daran denken, wie sie es besichtigt hatte, als es endlich fertig war, und dass sie, wie alle anderen, nicht schlecht gestaunt hatte. Sie war über den Fliesenboden gelaufen, hatte sich an einem der Stände eine Eistüte gekauft, sich die Schaufenster angesehen und war dann ins Kino gegangen. Nach dem Film war es draußen bereits dunkel, und sie fragte sich, wie ein Tag einfach so verstreichen konnte, ohne dass etwas geschah. Sie hatte die Mall nie wieder betreten.
    Auf halbem Weg zum Bahnhof bog sie von der Promenade ab und in eine Straße, die in einen der Winkel führte, die noch nicht erschlossen waren und auch nie erschlossen werden würden. Außerhalb des Zentrums gab es noch solcheOrte: am Stadtrand von Délibáb, oder in der Nähe des Stadtwalds, wo ein paar Landhäuser und Villen standen. Es gab auch Ecken voller Plattenbauten, die zu Zeiten des Sozialismus gebaut worden waren – separate Städte. Dort zog es Elsa hin. Das Leben dort war anders, und Kindheitserinnerungen stiegen in ihr auf. Ein Chor menschlicher Stimmen überflutete sie – Kinderstimmen; das kratzende Geräusch eines Besens auf Beton. Leise Melodien, die durchs offene Fenster drangen. Leben! Komplizierte, ineinander verschlungene Bögen. Bindungen jeder Art. Alles, was Elsa vermisste, wie ihr plötzlich klar wurde. Diese Art Leben hatte eine Wirklichkeit ganz anderer Art. Es mitzuerleben tröstete sie. Diesmal befand sie sich im Viertel der Roma. Dass sie dort war, wusste sie, weil sie das Blumenmädchen wiederzuerkennen glaubte, das abends in ihr Restaurant kam und wilde Rosen verkaufte. Das Viertel war schmuddelig, es hatte

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