Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Elsas Küche: Roman (German Edition)

Elsas Küche: Roman (German Edition)

Titel: Elsas Küche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Fitten
Vom Netzwerk:
und geriebenem Havartikäse. Im Sauerrahm war gehackter Knoblauch, der einem das Wasser im Munde zusammenlaufen ließ.
    Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass das Romaviertel, durch das sie gelaufen war und wo das Blumenmädchen wohnte, auch ganz in der Nähe war. Den ganzen Tag fegten Romakinder auf dem Weg in die Innenstadt an ihrem Restaurant vorbei. Manchmal blieben sie stehen und spähten durch die Panoramafenster ins Restaurant. Sie klopften andie Glasscheiben, schnitten Grimassen oder bettelten um Geld, bis Elsa oder einer ihrer Mitarbeiter sie verscheuchte. Elsa musste jetzt an sie denken. Im Grunde hatte sie nichts gegen die Kinder. Sie trugen zum Ambiente bei. Natürlich waren sie ihr manchmal zu wild – wenn sie so fest an die Fensterscheiben klopften, dass die Gäste erschraken und glaubten, das Glas bräche entzwei, oder wenn sie sie zu aggressiv anbettelten. Es kam vor, dass sie zu fest an den Rockschößen zerrten, Handgelenke umklammert hielten und versuchten, Armbanduhren zu stehlen. Dann musste Elsa aus der Küche kommen und ein Machtwort sprechen. Normalerweise hörten sie auf Elsa und rannten davon, doch manchmal gehorchten sie nicht und machten weiter mit ihrem Gezerre. Man wusste nie, was ihnen als Nächstes einfiel. Wie Stürme im Sommer waren sie plötzlich da und verschwanden wieder. Aber das störte Elsa nicht. Oft gab sie ihnen ein paar Münzen oder Linzer Augen, die sie übrig hatte. Elsa verließ den Balkon und ging hinein. Sie nahm eine ausländische Zeitschrift vom Sofa: ihr Lieblingsmonatsmagazin Le Gourmand . Sie blätterte die Seiten durch. Wenn sie ihr Restaurant immer noch mochte, ging es anderen sicher genauso. Einem Restaurantkritiker gefiel sie bestimmt. Das Magazin klappte an einer abgegriffenen Doppelseite mit dem Foto eines Mannes und seiner Monatskolumne auf. Eigentlich könnte das ein Anfang sein , dachte sie im Stillen. Ich muss ihn hierherbekommen. Das Restaurant würde ihm bestimmt gut gefallen ...
    Genau in diesem Augenblick fasste sie den Entschluss, dass sie diesen Restaurantkritiker – sie betrachtete sein Bild und den unaussprechbaren italienischen Namen – irgendwie dazu bringen würde, in der Tulpe zu speisen. Er würde begeistert darüber schreiben! Le Gourmand verlieh jährlicheinen Preis, die Sillberne Suppenkelle . Sie würde versuchen, ihr Restaurant dafür nominieren zu lassen.
    Wie schon so oft diesen Monat und wie all die Monate zuvor sah sie sich zum zigsten Mal sein Foto an. Vor allem deshalb kaufte sie die Zeitschrift – sie sah ihn immer wieder gern in allen möglichen Restaurants überall in Europa sitzen, und obwohl ihr furchtbares Französisch kaum reichte, um seine Kolumne zu lesen, sah sie anhand seiner Serviette und daran, wie er den Tisch hinterließ, ob ihm das Essen gemundet hatte.
    Auf dem Foto, das sie jetzt vor sich hatte, wirkte der dickbäuchige Mann mit Brille und Bart unbefriedigt. Er hatte die Backen stark eingezogen und gerötete Augen. Ein Blick auf seine verfleckte Serviette verriet ihr, dass er das soeben verspeiste Gericht nicht gemocht hatte. Sie erriet auch, dass ihm ihre Schweinelende schmecken würde. Die Idee ist toll , dachte sie, erregt von ihrem Tagtraum.
    Sie zog sich schnell an, eilte in ihr Büro und telefonierte mit Gastronomiekollegen, die sie in Budapest kannte. Begeistert von ihrem neuen Vorhaben, wollte sie sofort in medias res gehen: Der Kritiker musste angelockt, und das Mahl, das ihr als Logo dienen sollte, musste kreiert werden. Während sie noch am Telefon erklärte, was sie wollte, durchwühlte sie den Kühlschrank nach einer Schweinelende. Die Küchenbrigade sah mit fragendem Blick, wie Elsa zwischen Büro, Speisekammer und Kühlschrank hin und her rannte. Als sie die Lende endlich gefunden hatte, brachte sie sie herbei und hielt sie hoch.
    »Das hier brauche ich«, rief sie ihren Angestellten zu. »Dass mir das keiner anrührt.«
    »Was machst du denn? Du bist ja ganz aus dem Häuschen«, sagte der Küchenchef, als es ihm endlich gelang,sich bei ihr Gehör zu verschaffen. »Willst du wirklich die Schweinelende machen? Ich übernehme das, wenn du möchtest. Dann kannst du zurück in dein Büro.«
    Elsa schüttelte den Kopf. »Ich koche selbst«, sagte sie. »Ich mach das allein.«
    Der Küchenchef nickte und machte ihr Platz.
    Zuerst bereitete sie die Marinade zu. Sie entschied sich für eine schlichte Weißweinmixtur mit Petersilie, Knoblauch, Salz und schwarzem Pfeffer. Sie verrührte alles in einer

Weitere Kostenlose Bücher