Elton John - Bego, M: Elton John
schlug und der lockenden, schimmernden Sonne viel zu nahe kam. Die Hitze der Sonne schmolz das Wachs, und Ikarus stürzte ins Meer.
Ähnlich begann auch Elton John das Jahr 1975. Wie Ikarus flog er so hoch und schnell, dass ihm der Kopf schwirrte. Und wie der übermütige Ikarus begann Elton inmitten seines Reichtums und seiner Pracht, die Perspektive zu verlieren.
Im Vorjahr war Elton mit zwei aufeinanderfolgenden Alben auf Platz 1 der Charts gerückt, und er hatte schon wieder ein brandneues Album fertiggestellt, das auf seine Veröffentlichung wartete. Vor kurzem hatte er einen neuen Plattenvertrag in den USA abgeschlossen und er war nun der höchstbezahlte Rockstar der Welt. Er besaß mehrere Häuser, er sammelte Gemälde von Rembrandt, fuhr einen Rolls-Royce und reiste in seinem eigenen Jet von Konzert zu Konzert. In den vergangenen fünf Jahren hatte er Umsätze in Höhe von etwa 75 Millionen Dollar erwirtschaftet. Aufgrund seines neuen Vertrags bekam er jetzt höhere Tantiemen als irgendein anderer Star im Musikgeschäft. Und er hatte eben erst als Headliner im Madison Square Garden gespielt und John Lennon als Gaststar auf die Bühne holen können.
Aber das Leben hatte auch seine Schattenseiten. Er hatte gerade in seinem ersten Film mitgespielt, er stand Tag und Nacht im Licht der Öffentlichkeit, er nahm jede Menge Kokain (was er gegenüber der Presse verleugnete) und er war schwul (was er ebenfalls in der Öffentlichkeit abstritt). Dazu kam, dass seine Beziehung zu John Reid allmählich bröckelte, seine Band begann ihn zu langweilen, und trotz seiner herkulischen Anstrengungen schien er einfach nicht so viel Spaß zu haben, wie er ihn verdient zu haben glaubte.
Irgendwo unter der glitzernden, grellen, strassbesetzten Rockstarhülle des phantastischen Elton John, als den ihn die ganze Welt kannte, hatte der rundliche kleine Teenager Reggie Dwight immer größere Probleme. Es sollte ein Jahr immer größerer Errungenschaften, neuer Karrierehöhepunkte und spannender Herausforderungen werden. Aber Elton begann das Jahr deprimiert, von Selbstzweifeln gepackt und in leicht selbstzerstörerischer Stimmung.
„Ganz plötzlich war bei mir die Luft raus“, bekannte er. „Im Januar saß ich zwei Wochen nur herum und grübelte. Ich konnte nicht begreifen, wieso ich so deprimiert war. Letztlich musste ich mich einfach der Tatsache stellen, dass ich wohl eine Veränderung brauchte.“ (1)
Elton nutzte verschiedene Interviews in der britischen Presse zur psychologischen Aufarbeitung seiner Probleme. Da er sich nicht an einen Seelenklempner wenden wollte, schienen die Journalisten ein perfekter Ersatz zu sein. „Na ja, ich bin eben selbstzerstörerisch“, erklärte er Caroline Coon vom Melody Maker . „Ich gerate in schreckliche, hartnäckige Depressionen. Da kommt meine verzweifelte Sehnsucht nach Anerkennung durch. Wenn ich in eine solche Stimmung gerate, verbringe ich zuhause zwei Tage im Bett, werde immer niedergeschlagener und frage mich, ob es das alles wert ist und lauter so ein blödes Zeug. Aber ich habe Freunde, die sich toll um mich kümmern. Mein Manager John Reid kann mir dann nicht helfen, weil er eben mein Manager ist und ich gegen ihn kämpfen würde. Aber Muff Winwood oder Tony King rufen immer mal an und fragen: ‚Na, ist die Möbelpolitur mal wieder alle?‘ In diesen Phasen liebe ich es nämlich, Staub zu saugen und zu wischen. Das ist sehr gut für meinen Seelenfrieden. Ich bügele auch sehr gern, das beruhigt mich. Ich gehöre zu den Leuten, die überall die Aschenbecher ausleeren, sie auswischen und wieder hinstellen. Und wenn ich schlecht drauf bin, dann muss nur einer meiner Kumpels anrufen und mich ein bisschen aufziehen, dann geht es mir bald wieder besser.“ (2)
Seine Selbstzweifel äußerte er auch gegenüber Charles Shaar Murray vom New Musical Express in der Ausgabe vom 8. März 1975. Die Veröffentlichung des neuen Albums Captain Fantastic stand bevor, und für Elton bedeutete diese Platte sowohl musikalisch wie auch von der textlichen Ausrichtung her einen großen Schritt zu neuen Ufern. „Jedes Mal, wenn ein neues Album erscheint, mache ich mir Sorgen“, gestand er. „In England hatte ich letztes Jahr nur eine einzige Single in den Top Ten, und das war ‚Lucy‘, aber das hat mich nicht weiter gekümmert, weil die Alben sich sehr gut verkauft haben. Die Selbstzweifel machen mir nicht sehr zu schaffen, denn wenn irgendwas nicht gut war, dann weiß ich das auch und kann
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