Elwin - Rosenwasser (German Edition)
stahlen!«
Koltin verteidigte sich. »Der Schatz stand ja gar nicht im Dorf. Außerdem habe ich dir bereits gesagt, dass in der Nacht niemand das Tor passiert hat.«
»So? Ich bin nicht überzeugt.«
Die Wächter steckten die Köpfe zusammen, flüsterten und nickten schließlich dem Anführer zu. Der stand auf und nahm Elwin beiseite.
»Du willst hören, was in der Nacht geschah?«
Elwin nickte.
»Dann wirst du von hier verschwinden und uns in Ruhe lassen?«
Elwin nickte abermals und sagte: »Ich möchte aber die Wahrheit hören und nicht irgendeine Geschichte.«
Der Wächter zupfte mit einer Hand an seinem langen grauen Bart, nahm den Filzhut ab und strich sich durch das dichte Haar. Er sah müde aus, seine Augen waren rot unterlaufen, die vollen Wangen blass.
»Es geschah vor drei Sonnen, in der Früh, als das Licht dort stand«, begann er und zeigte mit der ausgestreckten Hand auf das Feld. »Nebelschwaden waren vom Fluss zum Dorf und den Wäldern hinaufgezogen. Plötzlich rannten Elche aus dem Wald und brachen in wilder Flucht durch das Gestrüpp dort drüben.« Er zeigte nun auf die rechte Seite der Wiese. »Es schien, als hätte jemand die Tiere aufgescheucht.«
»Du sagst, es war neblig. Woher weißt du, dass es Elche waren?«
»Sie liefen über die Wiese zum Fluss hinunter. Wir konnten ihrem Fluchtweg verfolgen durch den Lärm, den sie machten. Für einen Augenblick brach auch der Nebel auf, und wir sahen eine Elchkuh mit Kalb, bevor sie wieder im Dunst verschwanden. Später gingen wir hinüber zum Wald und fanden ihre Spuren.«
»Konntet ihr sehen, wer sie jagte?«, fragte Elwin.
Der Wächter schüttelte den Kopf. »Nein. Noel hatte uns gebeten, auf fremde Jäger zu achten, die nachts in unseren Wäldern Wild stehlen. Da hinten ist ein Pfad, der in den Wald führt. Lugo und ich sind sofort losgelaufen, kletterten auf zwei Bäume und warteten.« Er hielt inne und seufzte tief. »Ich sollte besser den Mund halten. Wir Wachleute sind der Meinung, dass Wilderer den Schatz gestohlen haben. Wer das Wild eines Volkes erlegt, es seiner Nahrung beraubt, der raubt auch eine Schatzkiste.«
Elwin schaute in die Richtung der ausgestreckten Hand. Eine dünne dunkle Linie schlängelte sich durch das hohe Gras und ließ den Verlauf des Weges erahnen. »Na, was ist? Habt ihr die Jäger gesehen?«
Der Wächter strich mit beiden Händen durch seinen Bart. »Nein. Niemanden.«
»Na großartig!«, brummte Elwin. »Elche aus dem Wald gelaufen - das hilft uns auch nicht weiter.«
Koltin zögerte. »Ich bin noch nicht fertig.«
»Was soll das heißen?«
»Kaum saßen wir in den Bäumen, da hörten wir Schritte.«
»Schritte?«
»Ja, von ungefähr einem halben Dutzend Leuten. Sie klangen sehr gleichmäßig.«
»Schritte von Soldaten also?«
»Mag sein.«
»Sprachen sie miteinander?«
»Nein. Kein Wort.«
»Machten sie Geräusche?«
»Was meinst du?«
»Hufschläge von Ponys oder Klirren von Metall?«
Der Wächter blickte einen Moment in den Wald, ganz so, als wollte er sich den Augenblick in Erinnerung rufen. »Wir hörten gleichmäßige Schritte, sonst nichts. Sie kamen von Westen und eilten Richtung Osten davon.«
»Habt ihr Noel von diesem Vorfall berichtet?«
Koltin schüttelte verlegen den Kopf. »Wir dachten, es seien bestimmt nur ein paar Trolle, die durch den Wald laufen, und haben niemanden informiert.«
»Woher weißt du, dass es Trolle waren?«
Ein Grinsen huschte über Koltins Gesicht. »Die Schritte der Trolle sind unverkennbar. Viele heben beim Laufen nicht richtig die Füße und schleifen daher mit den Fersen über den Boden.«
Elwin war zufrieden. »Ich schaue mir den Wald an. Geh zurück zu deinen Leuten und versprich, die nächsten Tage wachsam zu sein.« Er streckte eine Pfote aus. »Los, schlag ein.«
Koltin blickte abfällig auf Elwins Pfote, hob abwehrend beide Hände, trat einen Schritt zurück und sagte: »Ich gebe dir mein Wort. Das reicht!« Er drehte sich um und ging zu den anderen zurück.
Spurensuche
Zwei Wachleute hatten die wärmende Feuerstelle verlassen und zu beiden Seiten des Tores Posten bezogen. Zwei weitere waren in ein lebhaftes Gespräch vertieft, der fünfte, Koltin, war nicht zu sehen. Elwin wusste, dass er ihre Ehre verletzt hatte und spürte ihre Abneigung. Das Tor würde er in den nächsten Tagen am besten nur in Groohis Begleitung passieren.
Groohi! Der würde sein Verschwinden bald bemerken und sich womöglich um ihn sorgen. Elwin musste sich
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