Elysion: Roman (German Edition)
wieder Rasims Stimme. »Wow. Als ob sie total die Muskeln anspannt oder so.«
»Was bedeutet das?«, fragte Jimmy sorgenvoll.
»Keine Ahnung. Wär ich Arzt, hätte ich ’ne Praxis in Hollywood.«
»Hä?«
»Vergiss es. Nur so ’n Spruch von meinem Alten. Wir müssen irgendwas für sie tun.«
»Aber was?«
»Sie aus dieser vermaledeiten Finsternis rausbringen«, sagte Rasim. »Das wär schon mal ’ne Idee.«
»Was ist denn nun vor uns?«
»Weiß nich. ’ne Tür, schätz ich. Fühlte sich wie ’ne Klinke an.«
»Na, dann versuchen wir’s«, entschied Jimmy.
Er stand auf und tastete sich vorwärts, bis seine ausgestreckten Hände auf etwas Hartes stießen. Auf halber Höhe fanden seine Finger den Griff, von dem Rasim gemeint hatte, es wäre eine Klinke.
»Alter, du glaubst doch nicht, dass so was nicht irgendwie abgeschlossen …« Rasims Stimme erstarb, als er auf einmal von Licht geblendet wurde. Es war eine eher dämmrige Beleuchtung, doch nach der absoluten Dunkelheit der letzten halben Stunde wirkte es auf sie alle blendend hell.
Als sich Jimmys Augen daran gewöhnt hatten, sah er vor sich einen langen, leicht gebogenen Flur mit vielen Türen. Er staunte nicht schlecht, denn nichts hier sah so aus wie irgendetwas, was er je zuvor im Elysion gesehen hatte. Alles war so glatt und sauber und perfekt.
Das Merkwürdigste war das Licht, das aus merkwürdigen Glaskugeln drang, die unter der Decke zu schweben schienen. Es war bizarr. Andererseits wirkte es auf ihn merkwürdig vertraut, als ob es bei ihm an irgendwelche tieferen Erinnerungen rührte.
»Heiliger Strohsack«, murmelte Rasim, der unversehens neben ihm aufgetaucht war. »Schau mal dort vorn.«
Jimmys Blick folgte dem ausgestreckten Finger. Dort, in der Wand, war eine seltsame Skulptur, eine Art Hals oder Röhre aus glänzendem Metall, die einem Becken aus poliertem weißem Stein entsprang.
»Was ist das?«, fragte Jimmy.
»Wasser, Alter«, frohlockte Rasim. »Das ist Wasser.«
Der Pontifex wog das kalte Metall in seiner Hand. Er hatte sich immer gefragt, was andere Menschen an Waffen fanden. Für ihn waren sie nichts als Werkzeuge aus dem Arsenal der Hölle.
Aber in diesem Moment musste er zugeben, dass das Gewicht der kleinen Maschinenpistole und die mörderische Macht, für die sie stand, das Zittern seiner Hände ein wenig zu mildern half.
Draußen als Anführer des Elysion hatte er viele kritische Situationen meistern und seiner Angst Herr werden müssen. Aber die Tatsache, dass irgendjemand in sein Allerheiligstes eingedrungen war, weckte alte Gespenster in ihm. Nun, er würde es den Saboteuren zeigen, wer immer sie auch waren.
Im Sicherheitszentrum hatte er gesehen, dass die Tür zum Notausstieg geöffnet worden war. Leider war die Überwachungskamera in diesem Flur ausgefallen, sodass er den oder die Eindringlinge nicht sehen konnte, aber im Gegensatz zu ihm oder ihnen kannte er jeden Winkel des Instituts und wusste genau, welche Punkte sie zwangsläufig auf ihrem Weg ins Innere passieren würden und welcher dieser Punkte am besten für einen Hinterhalt geeignet war.
Und das war genau die Nische, in der er sich gerade verbarg. Eigentlich dazu gedacht, irgendeine Art von botanischer Flurverschönerung zu behausen, bot sie ihm einen Platz, von dem er den Gang leicht einsehen konnte, ohne sogleich selbst von den Eindringlingen erblickt zu werden, zumal der Flur eine leichte Biegung beschrieb. Für ihn der törichte Einfall eines selbstverliebten Architekten, doch nun kam ihm diese bauliche Extravaganz zugute. Wer immer dort kam, er würde ihn überraschen und mit einer Garbe niedermähen, bevor derjenige wusste, wer oder was ihn erwischte.
Schon vermeinte er in der Ferne Stimmen zu hören. Ein seltsames Gefühl überkam ihn. Erst da bemerkte er, wie lange er hier unten nur seinen eigenen Gedanken gelauscht hatte, zumal er auch oben im Elysion nur das Leben eines Außenstehenden führte. Aber er war der Pontifex. Das war die Rolle, die er zu spielen hatte. Ein Zerrbild seiner wahren Persönlichkeit, die hier unten gefangen war und vielleicht bald mit diesem Institut untergehen würde.
Er konzentrierte sich auf die Stimmen. Sie klangen seltsamerweise wie Kinder oder zumindest Jugendliche. Dabei hatte er sich auf eine Bande Plünderer aus den Städten gefasst gemacht, angeführt von einem ehemaligen Kollegen.
Erst da fielen ihm wieder die Kinder im Umspannwerk ein. Für einen Moment wurde die Waffe in seinen Händen unendlich
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