Elysion: Roman (German Edition)
hatte gesagt, auf Brent sei Verlass, wenn es drauf ankam, oder so was Ähnliches. Und eines Tages würde sie es Big Mama beweisen.
»Liebst du mich?«
Brent zog die Stirn kraus. »Baby, du weißt doch, was ich dir über mich und das große Wort gesagt habe.«
O ja. Das konnte sie auswendig herunterbeten. Er würde das Wort »Liebe« nicht einfach so in den Mund nehmen. Das Wort war viel zu wichtig, als dass man es einfach so gebrauchte. Er müsste sich eben erst ganz sicher sein, dass sie füreinander bestimmt waren. Bla, bla, bla. Diese Debatte hatten sie wohl schon an die hundert Mal geführt.
»Es ist ja auch nur … Ich meine, wann denkst du denn, dass es endlich so weit ist?«
»Psst.« Er legte einen Finger vor den Mund.
»Brent Kosky, wag es nicht, mich jetzt zu psst -en. Ich will jetzt endlich …«
Doch bevor sie den Satz zu Ende bringen konnte, hatte er seine Hand fest auf ihren Mund gedrückt. »Leise«, flüsterte er. »Da draußen ist irgendwas.«
Angespannt horchten sie in die Dunkelheit, die mittlerweile vor ihrem Fenster herrschte. Eine Weile lang konnte Stacy nichts hören. Dann bemerkte sie es auch. Ein fernes Brummen.
»Was ist das?«, flüsterte sie.
»Motoren. Autos. Mindestens ein Dutzend.«
»Hier, in Century City?«
Das war alles andere als ein gutes Omen. Sie tauschten einen ängstlichen Blick.
Sie war diesen Pfad schon Hunderte Male gegangen. Alles war vertraut und zugleich seltsam fremd. Vielleicht war es das fahle Licht des Mondes, denn in ihrer Erinnerung war es hier immer Tag gewesen. Vielleicht war es der Wald selbst. Früher hatte man zwischen den Fichten hindurchsehen können, nun versperrten dichtes Buschwerk und die umgestürzten Stämme greiser Baumriesen den Blick in die Ferne. Vielleicht aber war es auch die seltsame Perspektive, aus der sie das alles betrachtete, so als ob sie viel weiter vom Boden entfernt war als in ihrer Erinnerung. Ja, fast ein bisschen, als ob sie über allem schwebte.
Das Seltsamste aber war, dass sie bei alldem nichts von der Angst empfand, die sie im Wald heimsuchte, seit sie ihre Eltern dort hatte sterben sehen.
Links neben ihr begann das Gelände nach und nach anzusteigen. Irgendwo hinter dem Gesträuch konnte sie vage die vertrauten Windungen einer Zufahrt ausmachen.
Ohne zu wissen, warum, verließ sie auf einmal den gewohnten Pfad zur elterlichen Hütte und bahnte sich einen Weg durch das Unterholz, bis sie das Asphaltband erreichte. Im Licht des Mondes erschien es unwirklich hell. Sie folgte der Zufahrt, die sich den Hügel hinaufwand wie eine versteinerte Schlange.
Oben, auf der Hügelkuppe, wo die Bewaldung langsam nachließ, wurde bereits die Mauer sichtbar, die sie früher so oft aus der Ferne bestaunt hatte. Sie spürte die Schläge ihres Herzens. Vielleicht war es nur die Steigung, die sie so anstrengte und ihr Herz klopfen ließ. Vielleicht aber war es auch der Gedanke, dass sie kurz davor war, ein Geheimnis zu lüften, das sie beschäftigt hatte, seit sie denken konnte.
Je näher sie der Mauer kam, desto markanter zeichnete sich im Licht des Mondes die wohlbekannte Form des Gebäudes ab, das sich dahinter verbarg. In steinernen Windungen schraubte es sich in den Nachthimmel: das Schlangenhaus.
Bald lag die Durchfahrt vor ihr, die das Geheimnis hinter der Mauer mit ihrer Welt verband. Aus der Nähe erkannte sie, wie gut das Gelände gesichert war. Glasscherben auf der Mauerkrone spiegelten das Mondlicht. Innerhalb des äußeren Mauerrings gab es eine zweite, etwas niedrigere Mauer. Schranken und versenkbare Poller schützten die Schleuse, die die beiden Mauern um die Durchfahrt bildeten. Doch in den Wächterhäuschen links und rechts war niemand zu sehen.
Jenseits der inneren Mauer wurde die zweispurige Straße zu einem schmalen Ring, dessen obere Schlaufe sich an den seltsam überdimensionierten Haupteingang des Schlangenhauses schmiegte. Je näher sie dem Gebäude kam, desto höher ragte es in den Nachthimmel. Schließlich stand sie vor dem stählernen Geviert des Eingangs. Die Buchstaben
USAILEP
waren in die beiden mächtigen Metallflügel der Tür gestanzt. Tief in ihr rührte sich eine Erinnerung. Doch bevor sie den Gedanken greifen konnte, öffneten sich die Flügel geräuschlos, fast wie von Geisterhand, und gaben den Blick auf die Lobby des Gebäudes frei.
Der Boden bestand aus schweren, weißen Marmorplatten, so wie der ihrer alten Schule und vieler anderer öffentlicher Gebäude in dieser Gegend. »Knochen
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