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Elysion: Roman (German Edition)

Elysion: Roman (German Edition)

Titel: Elysion: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Elbel
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des Ozeans« hatte ihr Vater das vor langer Zeit einmal genannt, und in ihrer kindlichen Phantasie hatte sie damals an einen archaischen Leviathan aus Gebein und grünem Meereswasser gedacht.
    Der kühne Schwung einer breiten Theke ließ den Rezeptionsbereich wie ein schlafendes Raubtier wirken. Doch in den Ledersesseln hinter den durchsichtigen Bildschirmen saß keine lebende Seele. Fast wollte sie innehalten, doch schon hatten ihre Beine sie hinter den Tisch gebracht, und sie fand sich vor einer schlichten metallenen Schiebetür wieder. Im Rahmen der Schiebetür war ein Touchscreen eingelassen. Offenbar handelte es sich um einen Fahrstuhl.
    Sie streckte ihre Hand aus und gab wie selbstverständlich eine Zahlenkombination ein. Das Display erwachte zu vielfarbigem Leben. In erstaunlich rascher Abfolge flimmerten die Stockwerke auf und verschwanden wieder im digitalen Nirwana. Dann fuhren die beiden Hälften der Schiebetür mit sanftem Zischen auseinander, und sie trat in die Kabine. Die Tür schloss sich hinter ihr, und eine kleine Deckenleuchte füllte die Kabine mit dämmrigem Licht. Der Fahrstuhl setzte sich in Bewegung.
    Ihr Körper erwartete das Gefühl größerer Schwere, doch zu ihrer Überraschung trat das Gegenteil ein. Es ging abwärts, tief und immer tiefer in den Hügel hinein. Offensichtlich war das ihr so vertraute Gebäude nur der sichtbare Teil einer größeren unterirdischen Anlage, gleich der Spitze eines Eisbergs.
    Der Fahrstuhl wurde sanft gestoppt, und die Türen öffneten sich. Dahinter lag ein langer, leicht gewundener Gang aus nacktem Beton, von dem rechts und links Türen abgingen. Schlichte Leuchtstoffröhren tauchten die Umgebung in ein steriles, gleichförmiges Licht.
    Mit großen Schritten durcheilte sie den Gang, vorbei an den Türen links und rechts von ihr, bis sie eine breitere Tür erreichte. Anders als die anderen bestand sie aus zwei Flügeln und war nicht verschlossen.
    Krankenstation stand auf den beiden Türhälften. Durch die bullaugenartigen Fenster sah sie in einen großen Raum mit einem Regal voller Fläschchen, Schächtelchen und Plastikbeuteln. Medikamente. Ein unermesslicher Reichtum. Big Mama kam ihr in den Sinn. Bestimmt würde es auch Interferon geben.
    Sie konnte kaum die Augen von den Regalen hinter dem Fenster lösen, aber ihre Beine schienen ihr eigenes Leben zu führen. Sie drehte sich um und wanderte an weiteren, schlichten Bürotüren vorbei den Gang hinunter, bis er an einer letzten Tür endete. Diese war höher und massiver als die Türen links und rechts des Korridors.
    Auf Augenhöhe war ein Schild angebracht, und was darauf zu lesen war, ließ ihr Herz einen Schlag lang aussetzen:
    J ON G ARDNER K LEINSCHMIDT , Ph. D.
Institutsdirektor (zivil)
    Wie von selbst hob sich ihre Hand und ballte sich zu einer hautlosen Faust, die erst sanft und dann immer energischer gegen die Tür klopfte, bis der ganze Flur von dem Hämmern erfüllt wurde.
    Plötzlich sprang die Tür einen Spalt auf.
    » COOPER! «, schrie es ihr entgegen.

    »Cooper! Steh auf!«
    Die Tür flog zur Seite, und Brent kam hereingestürmt, eine abgegriffene Solartaschenlampe in der Hand. Sein Gesicht war bleich, und er wirkte angespannt. Hinter ihm befand sich Stacy.
    Coopers Blick flog über ihre Umgebung. Die blanken Ziegelwände. Alte Poster und Werbeplakate. In der Ecke gegenüber der schwere Stahlträger. Daran hängend der Rucksack, in dem immer noch die Spule steckte. Ihr Zimmer in der Fabrik.
    Was war passiert?
    Das Dach. Nach zwei Bechern von Big Mamas Gebräu hatte sie sich schlafen gelegt.
    Schlaf? Dann war das alles nur ein …
    »Coop! Alles in Ordnung?« Brent musterte sie skeptisch.
    Sie schüttelte die letzten Reste Benommenheit von sich und rieb sich die Augen. »Ja, alles okay. Was ist los, Kleiner? Was macht ihr hier?«
    »Es ist McCann!«, stieß Brent aufgeregt hervor. »Er hat das verdammte Haus umstellt.«
    »Was? Das ist unmöglich!« Cooper betastete ihren Körper, um erleichtert festzustellen, dass sie bekleidet war. Sie schlug die Decke beiseite und sprang aus dem Bett.
    »Komm am besten mit aufs Dach. Von dort aus kannst du alles sehen«, sagte Brent und drängte an Stacy vorbei.
    Immer noch leicht benommen, folgte ihnen Cooper in die Werkshalle, die auch hier im dritten Stock den Rest der Etage ausfüllte. Sofort fiel ihr das Licht jenseits der Fenster auf. Es war, als hätte sich die Welt um die Fabrik herum in ein Meer aus Helligkeit verwandelt, das mit grellem Furor

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