Elysion: Roman (German Edition)
den Schultern. »Dann wirst du wohl später noch mal kommen müssen.«
»Ich fürchte, dafür ist die Angelegenheit zu dringend.«
»Da kann ich leider nichts für dich tun.« Ohne weitere Umschweife drehte sie sich um und entfernte sich von der Dachkante, als hätte sie nur ein Schwätzchen unter Freunden gehalten. Im Vorbeigehen bedeutete sie den anderen mit einer Kopfbewegung, ihr zu folgen. Cooper zögerte nur einen winzigen Moment zu lang.
Das Geräusch erklang, als sie sich gerade hochstemmte. Es klang ein bisschen, als würde jemand eine alte Limonadenflasche öffnen. Eine von denen mit Kohlensäure, die kaum noch zu finden waren und die den Gegenwert von mindestens sechs Patronen hatten. Nur viel, viel lauter. Es begann als wütendes Fauchen, das in ein lang gezogenes Zischen überging, und dann …
… verwandelte sich die Welt in ein Inferno.
Mit ohrenbetäubendem Getöse und einem sengenden Feuerball löste sich das Dach unter ihr buchstäblich in seine Bestandteile auf. Cooper spürte, wie ihr Körper durch die Luft gewirbelt wurde, als wäre sie ein dürres Zweiglein im Wind. Für einen Moment gab es kein Oben und kein Unten, nur glühende Hitze und diese gewaltige Druckwelle. Dann schlug ihr Körper mit brachialer Gewalt gegen irgendetwas Hartes, und ihr wurde schwarz vor den Augen.
»Ein Malach. Wie ungewöhnlich.«
Der Mann, der sich sein Schöpfer nannte, saß hinter seinem Schreibtisch, der voller Papier war.
»Was kann ich für das Kollektiv tun?«, fragte der Schöpfer.
»Ich spreche nicht für das Kollektiv«, antwortete er.
»Nicht?« Der Schöpfer betrachtete ihn genauer. Seine Miene drückte Überraschung aus. »Aber das bedeutet ja, dass du …«
»Ich bin nicht mehr Teil des Kollektivs.«
Der Schöpfer sprang so schnell aus seinem Sessel, dass dieser gegen die Rückwand des Büros prallte. »Mein Gott. Das ist unmöglich«, keuchte er. Es klang, als hätte er Schwierigkeiten mit dem Atmen.
»Deine Aussage ist unzutreffend.«
Der Schöpfer kniff die Augenbrauen zusammen, wie es die Menschen taten, wenn sie ärgerlich wurden. Dann rieb er sich die Nasenwurzel mit zwei Fingern, und der Ausdruck des Zorns verschwand wieder.
»Ja, natürlich«, sagte der Schöpfer schließlich. »Du hast recht. Aber sag mir, wie ist das geschehen?«
»Ich fand Stadtmenschen im Wald«, antwortete er. »Als ich sie stellen wollte, traf mich ein Blitz.«
»Ein Blitz? Meinst du, ein Blitz vom Himmel?«
»Nein. Ein Blitz von den Stadtmenschen.«
»Aber wie …?«
»Ich konnte die Quelle nicht erkennen«, unterbrach er den Schöpfer. Dann berichtete er ihm von dem Zusammenstoß mit dem Mädchen und wie seine Verbindung vom Kollektiv auf das Mädchen übergegangen war.
»Wie sah es aus, dieses Mädchen?«, fragte ihn der Schöpfer.
»So wie du.«
»Nein, das meine ich nicht.« Der Schöpfer schüttelte den Kopf. »Ich weiß, dass sie ein Mensch war, aber … Hatte sie irgendetwas Spezielles?«
»Nein. Sie war ein generischer Fall eines Menschenmädchens.«
Das Lächeln des Schöpfers wollte nicht zu seiner angespannten Haltung passen. Es wirkte nicht echt. »Ich sehe schon, es ist müßig, in dieser Richtung nachzubohren«, sagte er und öffnete eine der Schubladen seines Schreibtischs. »Dir ist sicher klar, dass du eine gefährliche Anomalie darstellst.« Er nahm eine Pistole aus der Schublade. »Ein Malach außerhalb des Kollektivs«, fuhr er fort. »Das darf einfach nicht sein. Stell dir vor, das Volk erfährt davon. Es würde ihren Glauben erschüttern. Nein, du musst verschwinden.« Der Schöpfer stand auf und richtete die Waffe auf ihn. »Ich befehle dir, dich nicht aufzulösen«, sagte er.
Dann drückte er ab.
Stacys Gesicht schwebte über ihr im Nachthimmel wie ein seltsamer Planet. Cooper blinzelte. Irgendetwas stimmte nicht mit der Welt. Sie sah, wie Stacys Hand nach ihr griff. Dann streckte auch Brent den Arm nach ihr aus. Erst da begriff sie, dass sie flog. Oder vielmehr schwebte sie drei Meter über dem Estrich des vierten Stocks. Der rechte Ärmel ihrer Jacke hatte sich am Ende eines Stahlträgers verhakt, der aus dem ragte, was an dieser Stelle einmal das Dach gewesen war.
»Cooper, schnell!«, schrie Stacy. »Reich mir die Hand!«
Cooper griff mit ihrer Linken nach Stacy. Verwirrt sah sie die roten Tropfen auf ihrem Handrücken. Dann begriff sie, dass es Stacys Wunde war, die wieder zu bluten begonnen hatte. Sie spürte einen starken Zug an der Schulter.
»Hab sie!«,
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