Elysion: Roman (German Edition)
und nach verlorener Vergangenheit. »Gibt es das noch, dieses Mexiko?«
»Keine Ahnung. Schätze, irgendwie schon, aber ob es dort immer noch so heiß ist …« Big Mama zuckte mit den Schultern.
Sie schwiegen eine Weile. Die Sonne ließ ihre Schatten auf dem Dach allmählich länger werden.
»Darf ich Musik machen?«, fragte Cooper schließlich.
»Nur zu.«
Cooper zog den Audiokristall aus der Tasche und presste ihn in das altertümliche Abspielgerät, das sie drüben in Decatur bei einem Trödler gekauft hatte. Dann schloss sie die beiden Kabel an die Autobatterie, die sie für solche Fälle hier oben deponiert hatte. Mit ein paar Sekunden Verzögerung begannen die Lautsprecher Musik auszuspucken. Die Stimme dröhnte, aber die Worte waren gut zu verstehen:
»White riot
I wanna riot
White riot
A riot of my own.«
»Klingt gut. Was ist das?«, fragte Big Mama.
Cooper strich über den Kristall. Das Display auf dem Abspielgerät leuchtete auf.
»The Clash«, las sie vor.
»Und wie alt ist das?«
»Weiß nicht. Bestimmt hundert Jahre.«
»Eher zweihundert«, entgegnete Big Mama.
»Kann sein.«
Wieder schwiegen sie eine Weile.
»Was ist los, Cooper? Du bist doch sonst nicht so wortkarg.«
»Keine Ahnung. Schätze, die Sache mit McCann bereitet mir Kopfzerbrechen.«
»Du meinst, die beiden Toten?«
»Richtig. Er wird sie vermissen, und wenn er die Leichen findet, wird er vielleicht denken, wir hätten sie umgebracht.«
»Oh, das glaube ich nicht, Schätzchen. McCann mag ein Verrückter sein, aber er ist nicht dumm.«
»Meinst du?«, fragte Cooper zweifelnd.
»Im Gegenteil. Er ist einer der intelligentesten Kerle, die ich je getroffen habe.«
»Klingt ja fast, als würdest du ihn bewundern oder so«, sagte Cooper spöttisch.
Big Mama schüttelte entschieden den Kopf. »Versteh mich nicht falsch. Für das, was er Stacy angetan hat, werde ich ihn über den Haufen schießen. Das schwöre ich bei Jesus und allen Heiligen«, erklärte sie grimmig. »Aber früher«, fuhr sie dann mit etwas weicherer Stimme fort, »also bevor er diese Besessenheit gegen die Malachim entwickelt hat, war er ein völlig anderer Mensch.«
»Wie meinst du das?«
»Wusstest du, dass er Arzt war?«
»Ja, hab ich gehört.« Cooper spuckte über die Dachkante, an der sie saßen. »Irgend so ein Tittendoktor für Reiche, stimmt’s?«
»Damit hat er tagsüber sein Geld verdient, aber man sagt, danach habe er arme Leute, die sich keinen Arzt leisten konnten, umsonst behandelt. Dafür war er in der ganzen Stadt bekannt.«
»Wow, klingt nicht nach dem McCann, den ich kenne.«
»Ich weiß.«
»Was hat ihn so verändert?«
»Seine Frau ist im Bürgerkrieg gestorben. Sie hatten eine kleine Tochter. Er hat sie dann allein großgezogen, bis eines Tages die Malachim sein Haus überfielen und sie verschleppen wollten. Er hat sie in einem Panikraum versteckt. Weißt du, was das ist?«
»Schon mal gehört. So eine Art Mischung aus Versteck und Safe.«
»Bei seinem Kampf mit den Malachim ist eine Gasleitung in seinem Haus leckgeschlagen. Ein Funke hat das Gas in Brand gesteckt.«
Cooper schüttelte sich. »Jesus! Ich glaube, ich kann mir den Rest denken. Kein Wunder, dass er alle Malachim töten will.« Sie dachte eine Weile nach. »Würd ich die Typen in die Finger kriegen, die meine Familie umgebracht haben, ich würde das Gleiche tun.«
Statt etwas darauf zu erwidern, nahm Big Mama einen weiteren großen Schluck aus dem Becher. Cooper tat es ihr nach.
Ein spitzer Schrei zerriss die Luft. Alarmiert sahen sich die beiden an. Weitere Schreie folgten, die schließlich in eine Art rhythmisches Gejammer übergingen.
Kichernd stieß Cooper Big Mama einen Ellenbogen in die Seite, doch sie erntete eine mehr als säuerliche Miene.
»Ich kann daran wirklich überhaupt nichts Komisches finden, Cooper Kleinschmidt«, sagte sie ärgerlich.
»Ach komm, Big Mama, lass den beiden ihren Spaß. Sei nicht so prüde.«
»Darum geht es nicht«, fauchte sie. »Dass sie ausgerechnet mit diesem Versager … Ach!« Sie machte eine wegwerfende Handbewegung.
»Du bist nicht fair«, fand Cooper. »Brent ist eigentlich ganz in Ordnung. Ich meine, nicht gerade ’n Rosenkavalier oder so was. Aber in Ordnung.«
Doch Big Mama ließ sich nicht beirren. »Ein Versager und ein Lügner. Er benutzt Stacy sowieso nur, um sich an dich ranzumachen.«
»Mich?« Cooper schlug sich prustend auf die Schenkel. »Das ist ja der Witz des Jahrhunderts, Big Mama. Ich
Weitere Kostenlose Bücher