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Elysion: Roman (German Edition)

Elysion: Roman (German Edition)

Titel: Elysion: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Elbel
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hatte gar nicht gemerkt, dass Patrick sich ihm genähert hatte.
    »Hau ab und lass mich in Ruhe!«, zischte er, ohne Patrick anzusehen.
    »Hör mal, es tut mir wirklich …«
    » HAU AB! «
    Als er aufblickte, sah er das Erschrecken in den Gesichtern der anderen Kinder. Gleichzeitig spürte er, wie die Hand von seiner Schulter glitt. Er setzte sich wieder in Bewegung und ließ Patrick hinter sich stehen.
    Die anderen Kinder folgten ihm, und lange Zeit spürte er ihre Blicke, wie sie sich in seinen Hinterkopf bohrten. Endlich ging er langsamer, bis ihn die gesamte Gruppe überholt hatte. Dann stapfte er missmutig hinter ihnen her, während sie langsam die Mauer umrundeten und er seinen düsteren Gedanken nachhing.
    Wieder hörte er sie murmeln und raunen. Offenbar näherte man sich dem Ziel. Sie bewegten sich immer noch parallel zur Außenmauer des Geländes mit dem Schneckenhaus. Auf der Mauerkrone waren Kameras montiert, die bestimmt seit Jahren nicht mehr funktionierten, aber jedes Mal, wenn er unter einer von ihnen vorbeikam, fühlte er sich dennoch beobachtet.
    Ein Stück vor ihnen wurde Patricks Ziel im Licht der aufgehenden Sonne sichtbar. Es war ein umzäuntes Gelände. Viel kleiner als das, auf dem das Schneckenhaus stand, und hinter dem rostigen Maschendrahtzaun waren allerlei technische Einrichtungen zu erkennen. Es gab auch einen inneren Zaun, der ebenfalls aus Maschendraht bestand. Zwischen den beiden Zäunen verlief irgendeine dritte Struktur, die er aber noch nicht erkennen konnte. Die beiden Zäune waren hier und dort sehr fachmännisch geflickt worden.
    »Wie heißt du?«, fragte er den dunkelhäutigen Jungen, der unmittelbar vor ihm ging.
    »Rasim.«
    »Was ist das da, Rasim?« Er wies auf das umzäunte Gelände.
    »Ein Umspannwerk, Mann.«
    »Woher weißt du das?«
    »Steht da auf dem Schild, Mann. Kannst du nicht lesen?«
    Jimmy blieb wieder stehen. Tatsächlich prangte auf einem Zaunsegment weiter links ein großes weißes Blechschild, auf dem in simplen Blockbuchstaben das Wort »Umspannwerk« stand. Darunter war ein Blitz abgebildet. Sie waren noch etwa zwanzig Schritt von dem Zaun entfernt.
    Er machte ein paar große Schritte, um wieder zu Rasim aufzuschließen. »Was ist ein Umspannwerk?«
    Rasim zuckte mit den Schultern. »Irgendwas mit Strom, glaube ich.«
    Jimmy hatte aus Erzählungen seiner Eltern eine rudimentäre Vorstellung, was das Wort bedeutete und dass es irgendetwas Gefährliches war. »Meinst du, das ist noch in Betrieb?«
    »Bin ich Jesus? Keine Ahnung, Mann. Frag doch Patrick.«
    Genau das wollte er nicht tun.
    Die Gruppe war fast vor dem Gelände angekommen, als Patrick sich umdrehte und den Arm hob. »Wir sind da!«
    Die anderen Kinder sahen ihn gespannt an. Offenbar erwarteten sie eine weitere Erläuterung.
    »Was soll das, Mann?«, fragte Rasim, der neben Jimmy stehen geblieben war. »Du hast gesagt, du bringst uns irgendwohin, wo wir vor den Malachim sicher sind.«
    »Und das ist genau hier«, behauptete Patrick; sein rötliches Gesicht glühte sichtlich vor Stolz.
    Rasim drehte sich einmal um die eigene Achse, dann zog er zweifelnd die Schultern nach oben. »Und wieso ist es hier sicherer als anderswo?«
    Patrick zeigte auf den Zaun. »Seht ihr die Drähte zwischen den beiden Zäunen?«
    Rasim und die anderen Kinder rückten näher an den Maschendraht. Jimmy tat es ihnen gleich. Einige Kinder murmelten aufgekratzt. Auch Jimmy sah die dicken Drähte, gut ein Dutzend. Sie verliefen waagerecht zu einfachen Metallstreben auf einer Höhe von etwa zwei Metern. Dort endeten sie in eigenartigen Kunststoffgebilden, die wie kleine Glocken aus Plastik aussahen.
    »Das ist ein Hochspannungszaun«, erklärte Patrick. »Absolut tödlich, auch für die Malachim.«
    Jimmy fiel ein, dass Patrick anders als die meisten Kinder seines Alters nicht im Elysion aufgewachsen war. Er und seine Familie waren von den Malachim entführt und in den Wald verschleppt worden. Immer wieder wusste er von solchen Wunderdingen zu berichten, die er offenbar aus seinem alten Leben in der Stadt kannte.
    »Das stimmt nicht!«, rief ein kleines rothaariges Mädchen mit kindlicher Empörung in der Stimme. »Die Malachim sind unsterblich!«
    Unter den Kindern erhob sich zustimmendes Gemurre.
    »Sind sie nicht!«, behauptete Patrick ruhig und mit jener Autorität, die Jimmy noch vor Kurzem davon überzeugt hatte, bei der Graffitiaktion mitzumachen. Patrick wirkte irgendwie … älter als andere. Ein bisschen wie ein

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