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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Himmel kennt keine Guenstlinge
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fah­ren?«
    »Wo­hin?«
    »Nach Bris­sa­go, an
der ita­lie­ni­schen Gren­ze. Zehn Mi­nu­ten von hier. In ein Re­stau­rant, das
Giar­di­no heißt.«
    Lil­li­an sah sich
um. »Da blü­hen ja Gly­zi­ni­en!«
    Die blau­en Blü­ten­trau­ben
hin­gen an den wei­ßen Häu­ser­wän­den. Über ei­ne Gar­ten­mau­er schüt­te­ten Mi­mo­sen ihr
Gold und ihr ge­fie­der­tes Grün. »Früh­ling«, sag­te Cler­fa­yt. »Gott seg­ne
Gi­u­sep­pe. Er ver­schiebt die Jah­res­zei­ten.«
    Der Wa­gen fuhr
lang­sam den See ent­lang. »Mi­mo­sen«, sag­te Cler­fa­yt und zeig­te auf die blü­hen­den
Bäu­me am See. »Gan­ze Al­leen. Und da ist ein Hü­gel mit Iris und Nar­zis­sen.
Die­ses Dorf heißt Por­to Ron­co. Und das dort auf dem Ber­ge Ron­co. Die Rö­mer
ha­ben es ge­baut.«
    Er park­te den Wa­gen
ne­ben ei­ner lan­gen, stei­ner­nen Trep­pe. Sie stie­gen zu ei­nem klei­nen Re­stau­rant
hin­auf. Er be­stell­te ei­ne Fla­sche Soa­ve, Pros­ci­ut­to, Scam­pis mit Reis und Kä­se
aus dem Val­le Mag­gia.
    Es wa­ren nicht
vie­le Leu­te da. Die Fens­ter stan­den of­fen. Die Luft war sanft. Ein Topf mit
wei­ßen Ka­me­li­en stand auf dem Tisch.
    »Sie ha­ben hier
ge­lebt?« frag­te Lil­li­an. »An die­sem See?«
    »Ja. Fast ein Jahr.
Nach mei­ner Flucht und nach dem Krie­ge. Ich woll­te ein paar Ta­ge blei­ben, aber
ich blieb viel län­ger. Ich hat­te es nö­tig. Es war ei­ne Kur mit Nichtstun, Son­ne,
Ei­dech­sen auf den Mau­ern, Star­ren in den Him­mel und in den See und so viel
Ver­ges­sen, daß die Au­gen end­lich nicht mehr fi­xiert auf einen Punkt blick­ten,
son­dern wie­der be­merk­ten, daß die Na­tur zwan­zig Jah­re mensch­li­chen Irr­sinns
über­haupt nicht zur Kennt­nis ge­nom­men hat­te. Sa­lu­te!« Lil­li­an trank den
leich­ten ita­lie­ni­schen Wein. »Ir­re ich mich, oder ist das Es­sen hier
er­staun­lich gut?« frag­te sie.
    »Es ist er­staun­lich
gut. Der Wirt könn­te Chef in je­dem großen Ho­tel sein.«
    »Warum ist er es
nicht?«
    »Er war es. Sein
Hei­mat­dorf ge­fällt ihm bes­ser.«
    Lil­li­an blick­te
auf. »Er woll­te zu­rück – nicht hin­aus?«
    »Er war
drau­ßen – und ging zu­rück.«
    Sie stell­te ihr
Glas auf den Tisch. »Ich bin glück­lich, Cler­fa­yt«, sag­te sie. »Da­zu muß ich
sa­gen, daß ich über­haupt nicht weiß, was das Wort be­deu­tet.«
    »Ich weiß es auch
nicht.«
    »Wa­ren Sie nie
glück­lich?«
    »Oft.«
    Sie sah ihn an.
»Je­des Mal an­ders«, füg­te er hin­zu.
    »Wann am meis­ten?«
    »Ich weiß es nicht.
Es war je­des Mal an­ders.«
    »Wann am meis­ten?«
    »Al­lein«, sag­te
Cler­fa­yt.
    Lil­li­an lach­te.
»Wo­hin ge­hen wir jetzt? Gibt es noch mehr ver­zau­ber­te Wir­te und Ho­te­liers
hier?«
    »Vie­le. Nachts, bei
Voll­mond, taucht ein glä­ser­nes Re­stau­rant aus dem See auf. Es ge­hört ei­nem
Soh­ne Nep­tuns. Man kann dort al­te rö­mi­sche Wei­ne knei­pen. Aber jetzt ge­hen wir
zu ei­ner Bar, in der es einen Wein gibt, der in Pa­ris schon aus­ver­kauft ist.«
    Sie fuh­ren zu­rück
nach As­co­na. Cler­fa­yt ließ den Wa­gen vor dem Ho­tel ste­hen. Sie gin­gen die
Pi­az­za ent­lang und stie­gen in einen Kel­ler hin­ab. Un­ten war ei­ne klei­ne Bar.
    »Ich brau­che nichts
mehr zu trin­ken«, sag­te Lil­li­an. »Ich bin be­trun­ken von den Mi­mo­sen. Das Land
schwimmt ja dar­in. Was sind das für In­seln im See?«
    »In den Zei­ten Roms
soll dort ein Ve­nu­stem­pel ge­stan­den ha­ben. Jetzt hat je­mand ein Re­stau­rant dort.
Aber in Voll­mond­näch­ten ge­hen die al­ten Göt­ter manch­mal noch um. Dann fin­det
der Be­sit­zer am Mor­gen, daß vie­le Fla­schen leer ge­wor­den sind, oh­ne daß man die
Kor­ken be­rührt hät­te. Ab und zu schläft Pan auch sei­nen Rausch auf der In­sel
aus und er­wacht mit­tags. Dann hört man sei­ne Flö­te, und al­le Rund­funk­sen­dun­gen
ha­ben emp­find­li­che Stö­run­gen.«
    »Die­ser Wein ist
wun­der­bar. Was ist es?«
    »Al­ter Cham­pa­gner,
im Kel­ler hier herr­lich ge­la­gert. Zum Glück ver­ste­hen die an­ti­ken Göt­ter nichts
da­von, sonst hät­ten sie ihn längst ge­trun­ken. Cham­pa­gner wur­de erst im
Mit­tel­al­ter ent­deckt.«
    Sie gin­gen zu­rück.
An ei­ner Haus­wand hing ein Chris­tus am

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