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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten im Paradies
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Sa­chen
ge­kauft hat. Ich ma­che Ih­nen einen Vor­schlag. Wir ha­ben in un­se­rem Kel­ler noch
ei­ne Men­ge Sa­chen, von de­nen wir nur we­nig ver­ste­hen. Man kann schließ­lich
nicht al­les wis­sen. Wie wä­re es, wenn Sie die Din­ge durch­sä­hen? Für zehn Dol­lar
pro Tag – und mit Er­folgs­prä­mi­en, wenn Sie Glück ha­ben?«
    »Ist das als Prä­mie für die Bron­ze
ge­dacht?«
    »So halb und halb. Es ist na­tür­lich nur
vor­über­ge­hend. Das Ge­schäft selbst kann ich mit mei­nem Bru­der al­lein lei­ten.
Ein­ver­stan­den?«
    »Ein­ver­stan­den«, sag­te ich und blick­te aus
dem Schau­fens­ter in den bro­deln­den Ver­kehr. Wie manch­mal aus Angst Hil­fe wird,
dach­te ich oh­ne Über­schwang. Es kam nur dar­auf an, daß man ge­lo­ckert blieb.
Wenn man sich fest­hal­ten woll­te, wür­de man ver­wun­det. Le­ben ist wie ein Ball,
dach­te ich. Wo es auch ist, es ist im Gleich­ge­wicht.
    ***
    »Fünf­zig Me­ga­to­te«, sag­te
der äl­te­re Lowy. »Hun­dert. Nur im Mas­sen­mord ist die Welt vor­wärts­ge­kom­men.« Er
biß wü­tend auf sei­ne Zi­gar­re. »Ver­ste­hen Sie das?«
    »In Deutsch­land sind die Men­schen
bil­li­ger«, sag­te ich. »In den Kon­zen­tra­ti­ons­la­gern hat man aus­ge­rech­net, daß
ein Ju­de, der ar­beits­fä­hig und jung ist, nur 1.620 Mark wert ist. Für sechs
Mark täg­lich ver­leiht man ihn an die deut­sche In­dus­trie als
Skla­ven­ar­bei­ter – sei­ne Er­näh­rung im La­ger ist mit 60 Pfen­ni­gen am Ta­ge
an­ge­setzt. Wei­te­re zehn Pfen­ni­ge: Klei­de­ra­mor­ti­sa­ti­on. Durch­schnitt­li­che
Le­bens­dau­er: neun Mo­na­te. Das macht einen Ge­winn von mehr als 1.400 Mark. Da­zu
ra­tio­nel­le Ver­wer­tung der Lei­che: Zahn­gold, frü­he­re Klei­dung, Wert­sa­chen,
mit­ge­brach­tes Geld, Haa­re, ab­züg­lich Ver­bren­nungs­kos­ten von zwei Mark, macht
et­wa 1.620 Mark Ge­winn. Da­von ab­ge­zo­gen wert­lo­se Frau­en und Kin­der, Ver­ga­sung
und Ver­bren­nung kos­ten rund sechs Mark, das­sel­be bei Grei­sen, Kran­ken usw.
Durch­schnitt­lich im­mer noch 1.200 Mark, ge­ne­rös ge­rech­net.«
    Lowy war sehr bleich ge­wor­den. »Ist das
wahr?«
    »Es ist so aus­ge­rech­net wor­den. Von den
deut­schen Be­hör­den. Aber es mag sich noch ein we­nig än­dern. Die Schwie­rig­keit
ist nicht das Tö­ten. Schwie­rig ist merk­wür­di­ger­wei­se die Be­sei­ti­gung der
Lei­chen. Es dau­ert ei­ne ge­wis­se Zeit, bis ei­ne Lei­che ver­brennt. Das Ein­gra­ben
ist auch nicht ein­fach bei Zehn­tau­sen­den, wenn man es or­dent­lich ma­chen will.
Man hat viel zu we­nig Kre­ma­to­ri­en. Bei Nacht kann man sie auch nicht im­mer
bren­nen las­sen. Da sind die Flug­zeu­ge. Die ar­men Deut­schen ha­ben es schon schwer.
Da­bei woll­ten sie doch Frie­den, sonst nichts.«
    »Was?«
    »Na­tür­lich. Wenn al­le Welt ge­tan hät­te, was
Hit­ler woll­te, hät­te es kei­nen Krieg ge­ge­ben.«
    »Ein Witz­bold«, knurr­te Lowy. »Ein
ver­fluch­ter Witz­bold! Herr, da hö­ren die Wit­ze auf!« Er senk­te den ro­ten Kopf.
»Wie ist das al­les nur mög­lich? Ver­ste­hen Sie es?«
    »Nein. Aber der Be­fehl ist fast im­mer
un­blu­tig. Da­mit be­ginnt es. Wer am Schreib­tisch sitzt, braucht nicht das Beil
in die Hand zu neh­men.« Ich blick­te den klei­nen Mann et­was mit­lei­dig an. »Und
Leu­te, die Be­feh­le aus­füh­ren, gibt es im­mer, be­son­ders in Deutsch­land.«
    »Auch blu­ti­ge?«
    »Die blu­ti­gen be­son­ders, weil der Be­fehl
von der Ver­ant­wor­tung ent­bin­det. Man kann sich al­so gründ­lich aus­to­ben.«
    Lowy fuhr sich über den Schä­del. »Ha­ben Sie
dies al­les durch­ge­macht?«
    »Ja«, sag­te ich. »Ich woll­te, ich hät­te es
nicht er­lebt.«
    »Da ste­hen wir nun«, sag­te er. »In ei­nem
La­den an der Drit­ten Ave­nue, an ei­nem fried­li­chen Nach­mit­tag. Wie kommt Ih­nen
das al­les vor?«
    »Nicht wie Krieg.«
    »Das mei­ne ich nicht. Daß so et­was
pas­siert, und die an­de­ren sit­zen da­bei, als wä­re es nichts.«
    »Die an­de­ren sit­zen ja nicht da­bei. Es ist
Krieg. Al­ler­dings für mich ein son­der­ba­rer, un­wirk­li­cher Krieg. Wirk­li­cher
Krieg ist nur im ei­ge­nen Land. Al­les an­de­re ist un­wirk­lich.«
    »Aber Men­schen wer­den

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