E.M. Remarque
Zehndollarschein heraus, küßte ihn und steckte ihn in die linke Tasche.
»Zu was darf ich Sie einladen?« fragte er.
»Warum? Glauben Sie mir?« sagte ich
angenehm berührt. Ich war zu sehr daran gewohnt, daß mir niemand etwas glaubte;
weder Polizisten noch Frauen noch Immigrationsinspektoren.
»Nein«, erwiderte Lowy junior fröhlich! »Ich
habe nur mit meinem Bruder gewettet: fünf Dollar für ihn, daß Sie die Bronze
zurückgeben, wenn sie falsch ist, zehn für mich, daß Sie sie zurückgeben,
selbst wenn sie echt ist.«
»Sie sind der Optimist der Familie, scheint
mir.«
»Der berufsmäßige Optimist. Mein Bruder ist
der berufsmäßige Pessimist. So teilen wir das Risiko in diesen schwierigen
Zeiten. Niemand kann sich mehr erlauben, heute beides in einem zu sein. Wie
wäre es mit einem Schwarzen?«
»Sind Sie Wiener?«
»Ja. Wienerischer Amerikaner. Und Sie?«
»Wahlwiener und Weltbürger.«
»Gut. Trinken wir einen Schwarzen, drüben
bei Emma. Die Amerikaner sind ein spartanisches Volk, was Kaffee anlangt. Sie
kochen ihn zu Tode, oder bereiten ihn morgens für den ganzen Tag. Sie finden
nichts dabei, ihn für Stunden auf Kochplatten heiß zu halten, anstatt ihn neu
zu brauen. Emma tut das nicht. Sie ist Tschechin.«
Wir gingen über die brausende Straße. Eine
Straßenkehrmaschine schleuderte Wassergüsse nach allen Seiten. Ein violetter
Lieferwagen für Kinderwindeln überfuhr uns fast. Lowy rettete sich mit einem
graziösen Sprung. Ich sah, daß er Lackschuhe trug.
»Sind Sie und Ihr Bruder nicht
gleichaltrig?« fragte ich.
»Zwillinge. Aber wir nennen uns der Kunden
wegen Senior und Junior. Mein Bruder ist drei Stunden älter. Das macht ihn auch
astrologisch zu einem Zwilling. Ich bin Krebs.«
Eine Woche später kam der Inhaber der Firma
Loo & Co. von einer Reise zurück, ein Sachverständiger für chinesische
Kunst. Er begriff nicht, warum das Museum die Bronze für falsch gehalten hatte.
»Es ist kein großartiges Stück«, erklärte er. »Aber zweifellos eine Chou-Bronze
aus der Zeit. Spätes Chou, Übergang zu Han.«
»Was ist sie wert?« fragte Lowy senior.
»Vier- bis fünfhundert Dollar sollte sie
bei Parke Bernet auf der Auktion bringen, aber nicht sehr viel mehr.
Chinesische Bronzen sind heute billig.« – »Warum?«
»Weil alles billig ist. Krieg. Und für
China-Bronzen gibt es nicht viele Sammler. Ich kann Ihnen dreihundert Dollar
dafür geben.«
Lowy schüttelte den Kopf. »Ich denke, ich
muß sie zuerst dem Museum wieder anbieten.«
»Aus welchem Grund?« fragte ich. »Mir
gehört sie zur Hälfte. Etwa für die 15 Dollar, die Sie dafür gezahlt haben? Das
gibt es nicht.«
»Haben Sie irgend etwas schriftlich?«
Ich starrte ihn an. Er hob die Hand. »Einen
Augenblick, bevor Sie zu brüllen anfangen! Es ist eine gute Lehre. Lassen Sie
sich alles schriftlich geben. Mir ist es ähnlich gegangen.«
Ich starrte ihn weiter an. »Ich werde zum
Museum gehen und erklären, ich hätte die Bronze fast verkauft. So wie es ist.
Ich werde sie dem Museum wieder anbieten, weil New York ein Dorf ist. Unter
Kunsthändlern wenigstens. In ein paar Wochen würde durchgesickert sein, was los
ist. Wir aber brauchen das Museum wieder. Darum. Ich werde Ihren Anteil
verlangen.«
»Wieviel?«
»Hundert Dollar.«
»Und wieviel für Sie?«
»Die Hälfte von dem, was darüber ist.
Einverstanden?«
»Für Sie mag das Ganze ein Spaß sein«,
sagte ich, »ich aber habe fast die Hälfte meines Vermögens riskiert.«
Lowy senior lachte. Er hatte viel Gold im
Munde. »Außerdem haben Sie das Ganze aufgedeckt. Ich kann mir jetzt auch
denken, wie es gekommen ist. Sie haben einen jungen neuen Kurator angestellt.
Der hat mal zeigen wollen, daß der alte nicht viel gewußt und falsche
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