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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten im Paradies
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war schüch­tern als Mann, doch ziem­lich keß, so­bald er
Frau­en­klei­der trug. Er lieb­te große wei­che Hü­te und Abend­klei­der. Die Po­li­zei
kann­te ihn, er war als un­heil­bar re­gis­triert. Ich sah ihm ei­ne Wei­le zu, dann
wur­de ich von der Me­lan­cho­lie er­faßt, die einen leicht über­kommt, wenn man
ei­nem sol­chen Schau­spiel bei­wohnt, und ich ging nach un­ten, um auf Me­li­kow zu
war­ten.

IV.
    L ach­mann hat­te mir die
Adres­se von Har­ry Kahn ge­ge­ben. Ich hat­te von sei­nen sa­gen­haf­ten Ta­ten schon in
Frank­reich ge­hört. Er war als spa­ni­scher Kon­sul in der Pro­vence auf­ge­tre­ten, zu
ei­ner Zeit, als die deut­sche Be­sat­zung in die­sem Ge­biet be­en­det war und das von
Hit­ler ein­ge­setz­te fran­zö­si­sche Re­gime in Vichy ge­gen die Über­grif­fe, die die
Deut­schen täg­lich vor­nah­men, schwä­cher und schwä­cher wur­de.
    Kahn er­schi­en ei­nes Ta­ges un­ter dem Na­men
Raoul Tegnèr mit ei­nem spa­ni­schen Di­plo­ma­ten­paß in der Pro­vence. Nie­mand wuß­te,
wo­her er den Paß hat­te. Es hieß, der Paß sei fran­zö­sisch mit der spa­ni­schen
Ein­tra­gung, Kahn sei Vi­ze­kon­sul von Bor­deaux; an­de­re sag­ten, sie hät­ten
ge­se­hen, daß es ein ech­ter spa­ni­scher Paß sei. Kahn ver­riet nichts, er trat nur
auf. Er hat­te einen Wa­gen mit ei­nem Di­plo­ma­ten-Ab­zei­chen am Küh­ler, ele­gan­te
An­zü­ge und ei­ne un­ver­schäm­te Kalt­blü­tig­keit. Er trat so glanz­voll auf, daß
selbst Emi­gran­ten glaub­ten, al­les ha­be sei­ne Rich­tig­keit mit ihm. In
Wirk­lich­keit stimm­te wahr­schein­lich nichts.
    Kahn reis­te durch das Land. Pi­kant da­bei
war, daß er als Ver­tre­ter ei­nes an­de­ren Dik­ta­tors reis­te, der da­von nicht die
min­des­te Ah­nung hat­te. Er wur­de ein le­gen­därer Wohl­tä­ter. Da sein Wa­gen
di­plo­ma­ti­sche Ab­zei­chen trug, war Kahn, in die­ser Zeit we­nigs­tens, et­was
ge­schützt. Er sah zwar jü­disch aus, schob das aber hoch­fah­rend auf sein
spa­ni­sches Blut und wur­de so­fort so aus­fal­lend, wenn er an­ge­hal­ten wur­de, daß
die SS-Pa­trouil­len und die deut­schen Sol­da­ten rasch un­si­cher wur­den und sich
lie­ber zu­rück­zo­gen, als einen An­schnau­zer ih­rer Vor­ge­setz­ten zu ris­kie­ren. Kahn
hat­te ge­lernt, daß man ei­nem Deut­schen im­po­niert, wenn man ihn an­brüllt, und
da­mit war er rasch bei der Hand, Spa­ni­en und Fran­co gal­ten als Freun­de Hit­lers.
Da je­de Dik­ta­tur auch Furcht und Un­si­cher­heit in den ei­ge­nen, vor al­lem
un­ter­ge­ord­ne­ten Rei­hen er­zeugt, weil sie das Recht sub­jek­tiv und da­mit
ge­fähr­lich für die ei­ge­nen Ta­ten macht, wenn sie nicht ge­ra­de dem je­wei­li­gen,
sich än­dern­den Be­griff ent­spre­chen, so pro­fi­tier­te Kahn von der Feig­heit, die
zu­sam­men mit der Bru­ta­li­tät die lo­gi­sche Fol­ge je­der Ge­walt­herr­schaft ist.
    Er hat­te Ver­bin­dun­gen zur Ré­si­stan­ce. Es
war wahr­schein­lich, daß sei­ne Mit­tel da­her ka­men, auch der Wa­gen und vor al­lem
das Ben­zin. Kahn hat­te im­mer ge­nug da­von, wäh­rend es sonst sehr knapp war. Er
trans­por­tier­te Flug­blät­ter und die ers­ten Un­ter­grund­zei­tun­gen, klei­ne,
zwei­sei­ti­ge Pam­phle­te. Ich wuß­te von ei­nem Fall, als ei­ne deut­sche Pa­trouil­le
ihn stopp­te und den Wa­gen un­ter­su­chen woll­te, in dem er Pa­ke­te ge­fähr­li­cher
Li­te­ra­tur trans­por­tier­te. Kahn schlug einen sol­chen Lärm, daß die Pa­trouil­le
ab­zog, als hiel­ten sie ei­ne Kreuzot­ter am Schwanz. Kahn, da­mit noch nicht
zu­frie­den, ver­folg­te sie und be­schwer­te sich beim nächs­ten Pos­ten –
nach­dem er frei­lich vor­her die be­las­ten­den Pa­cken los­ge­wor­den war. Er brach­te
es fer­tig, daß sich der zu­stän­di­ge Of­fi­zier für die Töl­pel­haf­tig­keit sei­ner
Leu­te ent­schul­dig­te. Kahn ver­ließ ihn schließ­lich, be­sänf­tigt, mit dem
Falan­gis­ten­gruß, der mit ei­nem stram­men Heil Hit­ler er­wi­dert wur­de. Erst spä­ter
ent­deck­te Kahn, daß er noch zwei Pa­ke­te Pam­phle­te im Wa­gen ver­ges­sen hat­te.
    Kahn hat­te ab und zu auch spa­ni­sche
Blan­ko­päs­se zur Ver­fü­gung. Er ret­te­te

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