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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten im Paradies
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großes Wort«, er­wi­der­te ich. »Für
einen Händ­ler.«
    Lowy nies­te wie­der und zwin­ker­te dann noch
ein­mal. »Ich ha­be sie als falsch ge­kauft. Wir sind hier ehr­lich!«
    Mich ent­zück­te die Kom­bi­na­ti­on von falsch
und ehr­lich in die­sem Au­gen­blick, in dem die Spie­gel zu schim­mern be­gan­nen.
»Glau­ben Sie nicht, daß sie trotz­dem echt sein könn­te?« frag­te ich.
    Lowy trat aus der Tür her­aus und be­sah sich
die Bron­ze, die auf ei­nem ame­ri­ka­ni­schen Schau­kel­stuhl lag. »Sie kön­nen sie für
drei­ßig Dol­lar ha­ben«, er­klär­te er dann. »Mit ei­nem Un­ter­satz aus Teak­holz
da­zu. Ge­schnitzt!«
    Ich be­saß noch et­wa acht­zig Dol­lar. »Kann
ich sie für ein paar Ta­ge mit­neh­men?« frag­te ich.
    »Sie kön­nen sie fürs Le­ben mit­neh­men, wenn
Sie sie be­zah­len.« – »Nicht auf Pro­be? Für zwei Ta­ge?«
    Lowy dreh­te sich um. »Ich ken­ne Sie doch
nicht. Das letz­te Mal ha­be ich ei­ner sehr ver­trau­en­er­we­cken­den Frau zwei
Meiß­ner Por­zel­lan­fi­gu­ren mit­ge­ge­ben. Auf Pro­be.«
    »Und? Sie ver­schwand da­mit für im­mer?«
    »Sie kam wie­der. Mit den zer­bro­che­nen
Fi­gu­ren. Ein Mann mit ei­nem Werk­zeug­kas­ten hat­te sie ihr im über­füll­ten Om­ni­bus
aus der Hand ge­schla­gen.«
    »Pech!«
    »Sie wein­te, als hät­te sie ein Kind
ver­lo­ren. Zwei Kin­der, Zwil­lin­ge. Es war ein Pär­chen ge­we­sen. Was konn­ten wir
tun? Sie hat­te kein Geld, die Sa­chen zu be­zah­len. Hat­te sie ja nur für ein paar
Ta­ge mit­neh­men und sich dar­an freu­en wol­len. Und bei ei­ner Bridge­par­ty in ih­rer
Woh­nung ei­ni­ge Freun­din­nen da­mit är­gern. Al­les sehr mensch­lich, wie? Was
konn­ten wir tun? Den Ver­lust in den Schorn­stein schrei­ben. Sie se­hen ...«
    »Ei­ne Bron­ze zer­bricht nicht so leicht.
Be­son­ders nicht, wenn sie falsch ist.«
    Lowy blick­te mich scharf an. »Sie glau­ben
es nicht?«
    Ich ant­wor­te­te nicht. »Las­sen Sie drei­ßig
Dol­lar hier«, sag­te er. »Sie kön­nen das Stück für ei­ne Wo­che be­hal­ten und es
dann zu­rück­ge­ben. Wenn Sie es be­hal­ten und ver­kau­fen wol­len, tei­len wir den
Pro­fit. Wie ist das?«
    »Der Vor­schlag ei­nes Hals­ab­schnei­ders. Aber
ich neh­me ihn an.«
    ***
    Ich war mei­ner Sa­che
nicht si­cher, des­halb nahm ich das An­ge­bot an. Ich stell­te die Bron­ze in mein
Zim­mer im Ho­tel. Lowy se­ni­or hat­te mir noch ge­sagt, sie stam­me aus ei­nem Mu­se­um
in New York, das sie als falsch aus­ge­schie­den ha­be. Ich blieb an die­sem Abend
zu Hau­se. Als es dun­kel wur­de, mach­te ich kein Licht an. Ich lag auf dem Bett
und schau­te die Bron­ze an, die am Fens­ter stand. Ich hat­te in der Zeit im
Mu­se­um von Brüs­sel ei­nes ge­lernt: daß die Din­ge erst spre­chen, wenn man sie
lan­ge an­schaut, und daß die, die so­fort spre­chen, nie die bes­ten sind. Ich
hat­te von mei­nen nächt­li­chen Wan­de­run­gen manch­mal klei­ne­re Din­ge in die dunkle
Be­sen­kam­mer mit­ge­nom­men, um sie zu füh­len. Es wa­ren oft Bron­zen da­bei, und da
das Mu­se­um ei­ne gu­te Samm­lung frü­her chi­ne­si­scher Stücke be­saß, hat­te ich mit
Er­laub­nis mei­nes Be­schüt­zers je­weils ein Stück in mei­ne Ein­sam­keit mit­ge­nom­men.
Ich konn­te das ma­chen, da er selbst oft Stücke zum Stu­di­um mit nach Hau­se nahm,
und wenn ei­nes fehl­te, er­klär­te er, daß er es bei sich ha­be. Ich hat­te so ein
ge­wis­ses Ge­fühl da­für be­kom­men, wie sich die Pa­ti­na an­fühlt, und da ich
au­ßer­dem in den Näch­ten vie­le Stun­den vor den Käs­ten hock­te, wuß­te ich auch
et­was von ih­rer Tex­tur, ob­schon ich die Far­be nie wirk­lich bei vol­lem Licht
ge­se­hen hat­te. Aber so wie ein Blin­der ein aus­ge­präg­te­res Tast­ge­fühl
ent­wi­ckelt, so hat­te sich auch bei mir im Lauf der Zeit et­was Ähn­li­ches
aus­ge­bil­det. Ich trau­te ihm zwar nicht ganz, aber manch­mal war ich doch si­cher.
    Die Bron­ze hat­te sich gut an­ge­fühlt im
La­den; die Kon­tu­ren und Re­li­efs hat­ten, ob­schon sie sehr scharf wa­ren und das
viel­leicht bei dem Ex­per­ten des Mu­se­ums ge­gen sie ge­spro­chen hat­te, nicht den
Ein­druck ge­macht, als wä­ren sie neu. Aber sie wa­ren auch klar, und

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