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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten im Paradies
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war ich ge­ret­tet? War ich wirk­lich
ent­kom­men? Auch den Schat­ten?
    »Ich ge­he noch et­was raus«, sag­te ich,
»ha­be den Kopf zu voll von Vo­ka­beln! Muß ihn mir leer­schüt­teln. Ser­vus!«
    ***
    Me­li­kow hat­te sei­nen
Dienst an­ge­tre­ten, als ich zu­rück­kam. Er war al­les mög­li­che zu glei­cher Zeit,
manch­mal Ta­ges­por­tier, manch­mal Nacht­por­tier und zwi­schen­durch auch noch
Ver­tre­ter für klei­ne­re Aus­hilfs­stel­lun­gen. Im Au­gen­blick war er für ei­ne Wo­che
Nacht­por­tier.
    »Wo ist Lach­mann?« frag­te ich.
    »Oben bei sei­ner An­ge­be­te­ten.«
    »Glaubst du, daß er heu­te Glück ha­ben
wird?«
    »Nein. Sie wird ihn mit dem Me­xi­ka­ner zum
Es­sen füh­ren. Er darf be­zah­len. War er im­mer so?«
    »Ja. Er hat­te nur mehr Glück. Sei­ne
Vor­lie­be für Krüp­pel und Miß­ge­stal­te­te hat er erst, seit­dem er hin­kt, be­haup­tet
er. Frü­her sei er nor­mal ge­we­sen. Viel­leicht hat er ei­ne so zar­te See­le, daß er
sich vor schö­nen Frau­en schä­men wür­de. Wer weiß ...«
    Ich sah einen Schat­ten durch die Tür
kom­men. Es war ei­ne schma­le, ziem­lich große Frau mit ei­nem klei­nen Ge­sicht. Sie
war blaß, hat­te graue Au­gen und dun­kel­blon­de Haa­re, die wirk­ten, als wä­ren sie
ge­färbt. Me­li­kow stand auf. »Na­ta­scha Pe­trow­na«, sag­te er, »seit wann sind Sie
zu­rück?«
    »Seit zwei Wo­chen.«
    Ich war auf­ge­stan­den. Die Frau war fast so
groß wie ich. Sie trug ein eng­an­lie­gen­des Ko­stüm und schi­en sehr dünn zu sein.
Sie hat­te ei­ne has­ti­ge Art zu spre­chen, und die Stim­me war et­was zu laut und
ir­gend­wie rau­chig. »Einen Wod­ka?« frag­te Me­li­kow, »oder Whis­ky?«
    »Einen Wod­ka. Aber nur einen Schluck. Ich
muß wie­der weg. Pho­to­gra­phie­ren.«
    »So spät noch?«
    »Den gan­zen Abend. Der Pho­to­graph ist nur
abends frei. Klei­der und Hü­te. Klei­ne Hü­te. Win­zi­ge.«
    Ich sah erst jetzt, daß Na­ta­scha Pe­trow­na
selbst einen Hut trug; es war eher ei­ne Kap­pe, ein schwar­zes Nichts, das schief
in ih­rem Haar saß.
    Me­li­kow ging weg, um die Fla­sche zu ho­len.
»Sie sind kein Ame­ri­ka­ner?« frag­te das Mäd­chen.
    »Nein. Deut­scher.«
    »Ich has­se die Deut­schen!«
    »Ich auch«, er­wi­der­te ich.
    Sie blick­te mich über­rascht an. »Ich mei­ne
das nicht per­sön­lich.«
    »Ich auch nicht.«
    »Ich bin Fran­zö­sin. Sie müs­sen das
ver­ste­hen. Der Krieg.«
    »Ich ver­ste­he es«, sag­te ich gleich­gül­tig.
Es war nicht das ers­te Mal, daß ich für die Sün­den des Re­gi­mes in Deutsch­land
ver­ant­wort­lich ge­macht wur­de. Schließ­lich hat­te ich da­für auch in ei­nem
In­ter­nie­rungs­la­ger in Frank­reich ge­ses­sen, trotz­dem haß­te ich die Fran­zo­sen
nicht. Aber es war über­flüs­sig, das zu er­klä­ren. Wer so schlicht has­sen oder
lie­ben kann, ist um sei­ne Pri­mi­ti­vi­tät zu be­nei­den.
    Me­li­kow kam mit der Fla­sche und drei sehr
klei­nen Glä­sern, die er voll schenk­te. »Nicht für mich«, sag­te ich.
    »Sind Sie be­lei­digt?« frag­te das Mäd­chen.
    »Nein. Ich möch­te nur im Au­gen­blick nichts
trin­ken.«
    Me­li­kow schmun­zel­te. »Stras­de«, sag­te er
und hob sein Glas.
    »Ei­ne Ga­be der Göt­ter«, er­klär­te das
Mäd­chen und leer­te sei­nes mit ei­nem schnel­len Schluck.
    Ich kam mir ziem­lich idio­tisch vor, weil
ich ab­ge­lehnt hat­te, aber da war jetzt nichts mehr zu ma­chen. Me­li­kow hob die
Fla­sche.
    »Noch einen, Na­ta­scha Pe­trow­na?«
    »Mer­ci, Wla­di­mir Iwa­no­witsch. Ge­nug! Ich
muß weg. Au re­voir.« Sie hielt mir die Hand hin. »Au re­voir, Mon­sieur.«
    Sie hat­te einen kräf­ti­gen Druck. »Au re­voir,
Ma­da­me.«
    Me­li­kow, der sie hin­aus­be­glei­tet hat­te, kam
zu­rück. »Hat sie dich ge­är­gert?«
    »Nein!«
    »Mach dir nichts draus. Sie är­gert je­den.
Meint es aber nicht so.«
    »Sie ist kei­ne Rus­sin?«
    »Doch. In Frank­reich ge­bo­ren. Warum?«
    »Ich ha­be ein­mal ei­ne Zeit­lang bei Rus­sen
ge­lebt. Es fiel mir auf, daß die Frau­en es als Sport be­trach­te­ten, auf den
Män­nern her­um­zu­ha­cken. Mehr als an­de­re.«
    Me­li­kow grins­te. »Na, na! Aber was ist
schlecht dar­an, einen Mann ein biß­chen aus dem

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