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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten im Paradies
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»Ich soll
re­den«, seufz­te er dann und hol­te aus der Sei­ten­ta­sche sei­ner Ja­cke ein in
Sei­den­pa­pier ein­ge­wi­ckel­tes Päck­chen her­vor. »Ein Ro­sen­kranz«, sag­te er. »Vom
Papst per­sön­lich ge­weiht. Echt Sil­ber und El­fen­bein. Glaubst du, das könn­te sie
weich ma­chen?«
    »Von wel­chem Papst?«
    »Pi­us! Von wel­chem sonst?«
    »Be­ne­dikt XV. wä­re bes­ser ge­we­sen.«
    »Was?« Er sah mich ir­ri­tiert an. »Der ist
doch tot. Warum?«
    »Er hät­te mehr Über­le­gen­heit ge­habt. To­te
ha­ben mehr. Und nicht so bil­li­ge.«
    »Ach so! Auch ein Witz­bold! Ich hat­te das
ver­ges­sen. Das letz­te Mal, als ich dich ...«
    »Halt!« sag­te ich.
    »Was?«
    »Halt, Kurt. Wei­ter nichts!«
    »Na schön.« Lach­mann zö­ger­te einen
Au­gen­blick. Dann sieg­te sein Mit­tei­lungs­be­dürf­nis. Er wi­ckel­te ein hell­blau­es
Sei­den­pa­pier aus. »Ein klei­nes Stück aus Geth­se­ma­ne, von den Bäu­men am Öl­berg
dort. Ori­gi­nal, mit Stem­pel und schrift­li­cher Be­stä­ti­gung. Wenn sie da nicht
weich wird, was?« Er starr­te mich fle­hent­lich an.
    »Si­cher. Hast du kei­ne Fla­sche
Jor­dan­was­ser?«
    »Nein, ha­be ich nicht.«
    »Füll ei­ne ab.«
    »Was?«
    »Füll ei­ne ab. Drau­ßen ist ein Hahn. Tu
et­was Staub hin­ein, da­mit es ech­ter aus­sieht. Nie­mand kann es kon­trol­lie­ren. Du
hast schon be­glau­big­te Ro­sen­krän­ze und Öl­baum­zwei­ge, da darf Jor­dan­was­ser nicht
feh­len.«
    »Aber doch nicht in ei­ner Wod­kafla­sche!«
    »Warum nicht? Wasch das Eti­kett ab. Die
Fla­sche sieht sehr ori­en­ta­lisch aus. Dei­ne Pu­er­to­ri­ca­ne­rin trinkt si­cher kei­nen
Wod­ka. Höchs­tens Rum.«
    »Whis­ky. Da staunt man, was?«
    »Nein.«
    Lach­mann dach­te nach. »Man müß­te die
Fla­sche ver­sie­geln, dann sä­he sie ech­ter aus. Hast du Sie­gel­lack?«
    »Was sonst noch? Vi­sa und Päs­se? Wo­her soll
ich Sie­gel­lack ha­ben?«
    »Man hat manch­mal die son­der­bars­ten Sa­chen
bei sich. Ich ha­be jah­re­lang ei­ne Ka­nin­chen­pfo­te ...«
    »Viel­leicht hat Me­li­kow wel­chen.«
    »Klar. Er ver­sie­gelt doch an­dau­ernd
Päck­chen. Daß ich nicht dar­an ge­dacht ha­be!«
    Lach­mann hin­k­te hin­aus.
    ***
    Ich lehn­te mich zu­rück. Es war
dun­kel ge­wor­den. Schat­ten und Ge­spens­ter stürz­ten durch die hel­le Tür nach
drau­ßen in den Abend. In dem Spie­gel ge­gen­über hock­te ein fah­les Grau, das
ver­geb­lich zu et­was Sil­ber wer­den woll­te. Die Plüsch­ses­sel wirk­ten vio­lett, und
einen Au­gen­blick lang schi­en es mir, als wä­re auf ih­nen Blut ein­ge­trock­net.
Sehr viel Blut. Wo hat­te ich das doch ge­se­hen? Das Blut auf Lei­chen in ei­nem
klei­nen, grau­en Zim­mer, hin­ter des­sen Fens­tern ein ge­wal­ti­ger Son­nen­un­ter­gang
leuch­te­te, der al­les im Zim­mer son­der­bar farb­los mach­te in ei­ner Mi­schung aus
Grau und Schwarz und die­sem dunklen Rot und Vio­lett – al­les, bis auf das
Ge­sicht vor dem Fens­ter, das sich plötz­lich ab­wand­te und von der ster­ben­den Son­ne
voll ge­trof­fen wur­de, ei­ne Hälf­te feu­rig über­strömt, die an­de­re im Schat­ten,
und die Stim­me, et­was säch­sisch ge­färbt, über­ra­schend hoch und dünn, die sag­te:
Wei­ter­ma­chen! Die nächs­ten!
    Ich dreh­te mich um und knips­te das Licht
wie­der an. Es hat­te Jah­re ge­dau­ert, be­vor ich oh­ne Licht schla­fen konn­te; und
wenn ich schla­fen muß­te, war ich aus scheuß­li­chen Träu­men auf­ge­schreckt. Noch
jetzt schal­te­te ich nachts das Licht un­gern aus, und ich schlief auch nicht
ger­ne al­lein.
    Ich stand auf und ging hin­aus. Lach­mann stand
mit Me­li­kow an der klei­nen The­ke am Ein­gang. »Es klappt«, sag­te er
tri­um­phie­rend. »Schau es dir an! Wla­di­mir hat ei­ne rus­si­sche Mün­ze, da­mit
sie­geln wir den Kor­ken zu. Ky­ril­li­sche Schrift­zei­chen! Wenn das nicht aus­sieht,
als hät­ten es die grie­chi­schen Vä­ter in ei­nem Klos­ter am Jor­dan ab­ge­füllt!«
    Ich sah den Sie­gel­lack auf den Kor­ken
trop­fen, hell­rot im Licht der Ker­ze, die auf dem Holz da­ne­ben stand. Was ist
mit mir los? dach­te ich. Es ist doch al­les vor­bei! Ich bin doch ge­ret­tet! Da
drau­ßen ist das Le­ben! Ge­ret­tet! Aber

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