E.M. Remarque
keinen Sinn für Rhythmus.»
«Ich
auch nicht. Lassen Sie es uns zusammen probieren.» Wir klemmen uns in die Masse
auf der Tanzfläche und werden langsam vorwärts geschoben. «Drei Männer ohne
Frauen im Nachtklub», sagt Gerda. «Warum?»
«Warum
nicht? Mein Freund Georg behauptet, wer Frauen in einen Nachtklub mitbringe,
lade sie ein, ihm Hörner aufzusetzen.»
«Wer
ist Ihr Freund Georg? Der mit der dicken Nase?»
«Der
mit dem kahlen Kopf. Er ist Anhänger des Harem-Systems. Frauen soll man nicht
vorzeigen, sagt er.»
«Natürlich
… Und Sie?»
«Ich
habe kein System. Ich bin wie Spreu im Winde.»
«Treten
Sie mir nicht auf die Füße», sagt Gerda. «Sie sind keine Spreu. Sie wiegen
mindestens siebzig Kilo.»
Ich
nehme mich zusammen. Wir sind gerade an Ernas Tisch vorbeigeschoben worden, und
diesmal hat sie mich Gott sei Dank erkannt, obschon ihr Kopf an der Schulter
des Schiebers mit dem Siegelring liegt und er ihre Taille umklammert. Der
Teufel soll da auf Synkopen aufpassen! Ich lächle zu Gerda hinunter und ziehe
sie enger an mich. Dabei beobachte ich Erna.
Gerda
riecht nach Maiglöckchenparfüm. «Lassen Sie mich nur wieder los», sagt sie.
«Damit erreichen Sie nichts bei der Dame mit dem roten Haar. Und das wollen Sie
doch, nicht wahr?»
«Nein»,
lüge ich.
«Sie
hätten sie gar nicht beachten sollen. Statt dessen haben Sie wie hypnotisiert
zu ihr rübergestarrt und dann plötzlich dieses Theater mit mir arrangiert.
Gott, sind Sie ein Anfänger!»
Ich
versuche immer noch, das falsche Lächeln zu halten; ich möchte um alles nicht,
daß Erna merkt, daß ich hier ebenfalls reingefallen bin. «Ich habe das nicht
arrangiert», sage ich lahm. «Ich habe nicht tanzen wollen.»
Gerda
schiebt mich von sich weg. «Ein Kavalier sind Sie anscheinend auch noch! Hören
wir auf. Meine Füße tun mir weh.»
Ich
überlege, ob ich ihr erklären soll, daß ich das anders gemeint habe; aber wer
weiß, wohin mich das dann wieder bringt! Lieber halte ich den Schnabel und gehe
hocherhobenen Kopfes, aber beschämt hinter ihr her zum Tisch.
Dort
hat der Alkohol inzwischen gewirkt. Georg und Riesenfeld duzen sich. Riesenfeld
hat den Vornamen Alex. In spätestens einer Stunde wird er auch mich auffordern,
ihn zu duzen. Morgen früh ist natürlich alles wieder vergessen.
Ich
sitze ziemlich trübe da und warte darauf, daß Riesenfeld müde wird. Die
Tanzenden gleiten dahin, von der Musik getragen, in einem trägen Fluß von Lärm,
Körpernähe und Herdengefühl. Auch Erna kommt herausfordernd vorbei und
ignoriert mich. Gerda stößt mich an.
«Das
Haar ist gefärbt», sagt sie, und ich habe das ekelhafte Gefühl, daß sie mich
trösten will.
Ich
nicke und merke, daß ich genug getrunken habe. Riesenfeld ruft endlich nach dem
Kellner. Lisa ist gegangen; jetzt will auch er raus.
Es
dauert eine Zeitlang, bis wir fertig sind. Riesenfeld bezahlt tatsächlich den
Champagner; ich hatte erwartet, er würde uns mit den vier Flaschen, die er
bestellt hat, sitzenlassen. Wir verabschieden uns von Willy, Renée de la Tour
und Gerda Schneider. Es ist ohnehin Schluß; auch die Musik packt ein. Alles
staut sich an den Ausgängen und der Garderobe.
Ich
stehe auf einmal neben Erna. Ihr Kavalier rudert mit langen Armen an der
Garderobe herum, um ihren Mantel zu holen. Erna mißt mich eisig. «Hier muß ich
dich erwischen! Das hättest du wohl nicht erwartet!»
«Du
mich erwischen?» sage ich verblüfft. «Ich dich!»
«Und
mit was für Subjekten!» fährt sie fort, als hätte ich nicht geantwortet. «Mit
Tingeltangelweibern! Rühr mich nicht an! Wer weiß, was du dir schon geholt
hast!»
Ich
habe keinen Versuch gemacht, sie anzurühren. «Ich bin hier geschäftlich», sage
ich. «Und du? Wie kommst du hierher?»
«Geschäftlich!»
Sie lacht schneidend auf.
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