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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
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uns se­hen
und wir sie, und sie weiß es; des­halb steht sie da. Plötz­lich ver­zieht sie
ih­ren großen Mund, lacht mit al­len Zäh­nen und zeigt auf den Spie­gel. Sie hat
ihn mit ih­ren Raub­vo­gelau­gen ent­deckt. Ich är­ge­re mich, er­wi­scht zu sein,
be­neh­me mich aber, als mer­ke ich nichts und ge­he in ei­ner Rauch­wol­ke in den
Hin­ter­grund des Zim­mers. Nach ei­ner Wei­le kom­me ich zu­rück. Li­sa grinst. Ich
bli­cke hin­aus, aber ich se­he sie nicht an, son­dern tue, als win­ke ich je­mand
auf der Stra­ße zu. Zum Über­fluß wer­fe ich noch ei­ne Kuß­hand ins Lee­re. Li­sa
fällt dar­auf her­ein. Sie ist neu­gie­rig und beugt sich vor, um nach­zu­schau­en,
wer da sei. Nie­mand ist da. Jetzt grin­se ich. Sie deu­tet är­ger­lich mit dem
Fin­ger auf die Stirn und ver­schwin­det.
    Ich
weiß ei­gent­lich nicht, warum ich die­se Ko­mö­die auf­füh­re. Li­sa ist das, was man
ein Pracht­weib nennt, und ich ken­ne einen Hau­fen Leu­te, die gern ein paar
Mil­lio­nen zah­len wür­den, um je­den Mor­gen einen sol­chen An­blick zu ge­nie­ßen. Ich
ge­nie­ße ihn auch, aber trotz­dem reizt er mich, weil die­se fau­le Krö­te, die erst
mit­tags aus dem Bett klet­tert, ih­rer Wir­kung so un­ver­schämt si­cher ist. Sie
kommt gar nicht auf den Ge­dan­ken, daß nicht je­der so­fort mit ihr schla­fen
möch­te. Da­bei ist ihr das im Grun­de ziem­lich gleich­gül­tig. Sie steht am Fens­ter
mit ih­rer schwar­zen Po­ny­fri­sur und ih­rer fre­chen Na­se und schwenkt ein Paar
Brüs­te aus erst­klas­si­gem Car­ra­ra-Mar­mor her­um wie ei­ne Tan­te vor ei­nem Säug­ling
ei­ne Spiel­zeug­klap­per. Wenn sie ein Paar Luft­bal­lons hät­te, wür­de sie fröh­lich
die hin­aus­hal­ten. Da sie nackt ist, sind es eben ih­re Brüs­te, das ist ihr
völ­lig egal. Sie freut sich ganz ein­fach dar­über, daß sie lebt und daß al­le
Män­ner ver­rückt nach ihr sein müs­sen, und dann ver­gißt sie es und fällt mit
ih­rem ge­frä­ßi­gen Mund über ihr Früh­stück her. Der Pfer­de­schläch­ter Wat­zek tö­tet
in­zwi­schen mü­de, al­te Drosch­ken­gäu­le.
    Li­sa
er­scheint aufs neue. Sie trägt jetzt einen an­steck­ba­ren Schnurr­bart und ist
au­ßer sich über die­sen geist­vol­len Ein­fall. Sie grüßt mi­li­tä­risch, und ich
neh­me schon an, daß sie so un­ver­schämt ist, da­mit den al­ten Feld­we­bel a. D.
Knopf von ne­ben­an zu mei­nen; dann aber er­in­ne­re ich mich, daß Knopfs
Schlaf­zim­mer nur ein Fens­ter nach dem Hof hat. Und Li­sa ist raf­fi­niert ge­nug,
zu wis­sen, daß man sie von den paar Ne­ben­häu­sern nicht be­ob­ach­ten kann.
    Plötz­lich,
als brä­chen ir­gend­wo Schall­däm­me, be­gin­nen die Glo­cken der Ma­ri­en­kir­che zu
läu­ten. Die Kir­che steht am En­de der Gas­se, und die Schlä­ge dröh­nen, als fie­len
sie vom Him­mel di­rekt ins Zim­mer. Gleich­zei­tig se­he ich vor dem zwei­ten
Büro­fens­ter, das nach dem Hof geht, wie ei­ne geis­ter­haf­te Me­lo­ne den kah­len
Schä­del mei­nes Ar­beit­ge­bers vor­über­glei­ten. Li­sa macht ei­ne rü­pel­haf­te Ge­bär­de
und schließt ihr Fens­ter. Die täg­li­che Ver­su­chung des hei­li­gen An­to­ni­us ist
wie­der ein­mal über­stan­den.
    Ge­org Kroll ist knapp vier­zig
Jah­re alt; aber sein Kopf glänzt be­reits wie die Ke­gel­bahn im Gar­ten­re­stau­rant
Boll. Er glänzt, seit ich ihn ken­ne, und das ist jetzt über fünf Jah­re her. Er
glänzt so, daß im Schüt­zen­gra­ben, wo wir im sel­ben Re­gi­ment wa­ren, ein
Ex­tra­be­fehl be­stand, daß Ge­org auch bei ru­higs­ter Front sei­nen Stahl­helm
auf­be­hal­ten müs­se – so sehr hät­te sei­ne Glat­ze selbst den sanft­mü­tigs­ten Geg­ner
ver­lockt, durch einen Schuß fest­zu­stel­len, ob sie ein rie­si­ger Bil­lard­ball sei
oder nicht.
    Ich
rei­ße die Kno­chen zu­sam­men und mel­de: «Haupt­quar­tier der Fir­ma Kroll und Söh­ne!
Stab bei Feind­be­ob­ach­tung. Ver­däch­ti­ge Trup­pen­be­we­gun­gen im Be­zirk des
Pfer­de­schläch­ters Wat­zek.»
    «Aha!»
sagt Ge­org. «Li­sa bei der Mor­gen­gym­nas­tik. Rüh­ren Sie, Ge­frei­ter Bod­mer! Warum
tra­gen Sie vor­mit­tags kei­ne Scheu­klap­pen wie das Pau­ken­pferd

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