E.M. Remarque
›Liberalen‹ wie Georg Kroll und die einfachen Arbeiter wie
Kurt Bach in der Nazizeit ermordet oder zum Krüppel gemacht wurden. Lakonisch
zählt er die Opfer des neuen «Golgatha» auf:
Wernicke
… fiel 1944, Willy fiel 1942, Otto Bambuss 1945, Karl Kroll 1944. Lisa wurde
bei einem Bombenangriff getötet. Ebenso die alte Frau Kroll.
Im
Kontrast hierzu spricht er von den »Pensionen und Schadenersatzabfindungen, die
an Generäle, Kriegsverbrecher und hohe frühere Parteibeamten gezahlt werden«.
Erfährt fort:
Heinrich
Kroll, der gut durch die Zeit gekommen ist, sieht darin mit viel Stolz einenBeweis für das unerschütterliche Rechtsbewußtsein unseres geliebten
Vaterlandes. 43
Der
sarkastisch-satirische Ton Remarques über das »unerschütterliche
Rechtsbewußtsein« in Deutschland ist das Ergebnis der Negativbilanz, die
Remarque in Sachen Aufarbeitung der NS-Zeit Mitte der fünfziger Jahre ziehen
mußte. In dem einzigen ausgesprochen politischen Artikel, den Remarque
publiziert hat,»Be Vigilant« (Seid wachsam) 44 , erschienen 1956 im gleichen
Jahr wie Der schwarze Obelisk, zitiert er diesbezügliche Skandalfälle aus der
Basler Nationalzeitung, einem seriösen Blatt, wie er ausdrücklich anmerkt (»Der
Bonner Rehabilitationsskandal«).
Remarques
Versuch, auf die ungebrochene Kontinuität des ›milden‹ Umgangs mit
nationalsozialistischen, später nazistisch eingestellten Tätern von Weimar bis
in die Nachkriegszeit der Bundesrepublik hinzuweisen und an das überwiegend
konservative »unerschütterliche Rechtsbewußtsein« zu erinnern, wird immer
wieder deutlich in seinen Schriften der fünfziger Jahre.
Mit
Der schwarze Obelisk, so scheint es, erkennt Remarque das Scheitern seines
aufklärerischen Programms und resigniert. Die Bilanz des ersten
Nachkriegsjahrzehnts im Schlußkapitel von Der schwarze Obelisk ist negativ.
Daher die Mahnung, ein letzter Versuch, mit erhobenem Zeigefinger auf das
Versäumte und Drohende aufmerksam zu machen. Danach kehrt Remarque mit seinem
folgenden Roman Der Himmel kennt keine Günstlinge (zunächst als Geborgtes Leben
1959 als Fortsetzungsroman) zu seinen Anfängen als Schriftsteller zurück. Mit
dieser Rennfahrer- und Liebesgeschichte knüpft Remarque unmittelbar an seinen
1927/28 veröffentlichten Fortsetzungsroman Station am Horizont an.
Vielleicht
erklärt dies die zugleich heitere und schwermütige Rückkehr zur
Lebensphilosophie seiner frühen Schaffensperiode vor Im Westen nichts Neues.
Dies ist verbunden mit einer scharfen Absage an die Rationalität und Vernunft.
Gleich zu Beginn von Der schwarze Obelisk heißt es:
Der
Mensch lebt zu 75 Prozent von seiner Phantasie und nur zu 25 Prozent von
Tatsachen –Das ist seine Stärke und seine Schwäche … 45
Zum
Schluß sagt Bodmer resignativ, er habe einmal gelesen,
daß
Walroßherden so unbeteiligt bleiben, während Jäger unter ihnen mit Keulen die
Nachbarn erschlagen – und gesehen habe (er),daß ganze Völker im Krieg dasselbe
tun. 46
Daher
der Rückzug Bodmer in die »Irrenanstalt«, in der Isabelle die ›wahre Vernunft‹
repräsentiert. Alfred Antkowiak bemerkt hierzu:
Isabelle
verkörpert von ihrem Wesen her den Mythos der Lebensphilosophie, die schlichte,
tiefe mitreißende Gewalt des Lebens, von der auch der Held des Schwarzen
Obelisken gepackt wird. Am Beginn des Romans fragt Bodmer noch: »Wozu lebe
ich?« Am Ende weiß er es: »Um zu leben.« Er hat erfahren, was das Leben ist,
und er spürt es durch Isabelle …
Er
erfaßt dieses Eigentliches das Leben, intuitiv, im Zusammensein mit
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