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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
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ge­hängt und bürs­tet ih­re Mäh­ne.
    «Sieh
das da an», sa­ge ich bit­ter. «Es sät nicht, es ern­tet nicht, und der himm­li­sche
Va­ter er­nährt es doch. Den Schlaf­rock hat­te sie ges­tern noch nicht. Sei­de,
me­ter­wei­se! Und ich kann nicht den Zas­ter für ei­ne Kra­wat­te zu­sam­men­krie­gen.»
    Ge­org
schmun­zelt: «Du bist eben ein schlich­tes Op­fer der Zeit. Li­sa da­ge­gen schwimmt
mit vol­len Se­geln auf den Wo­gen der deut­schen In­fla­ti­on. Sie ist die Schö­ne
He­le­na der Schie­ber. Mit Grab­stei­nen kann man nun mal nicht reich wer­den, mein
Sohn. Warum gehst du nicht in die He­rings­bran­che oder in den Ak­ti­en­han­del, wie
dein Freund Wil­ly?»
    «Weil
ich ein sen­ti­men­ta­ler Phi­lo­soph bin und den Grab­stei­nen treu blei­be. Al­so wie
ist es mit der Ge­halts­er­hö­hung? Auch Phi­lo­so­phen brau­chen einen be­schei­de­nen
Auf­wand an Gar­de­ro­be.»
    «Kannst
du den Schlips nicht mor­gen kau­fen?»
    «Mor­gen
ist Sonn­tag. Und mor­gen brau­che ich ihn.»
    Ge­org
holt vom Vor­platz den Kof­fer mit Geld her­ein. Er greift hin­ein und wirft mir
zwei Pa­ke­te zu. «Reicht das?»
    Ich
se­he, daß es meis­tens Hun­der­ter sind. «Gib ein hal­b­es Ki­lo mehr von dem
Ta­pe­ten­pa­pier», sa­ge ich. «Das hier sind höchs­tens fünf­tau­send. Ka­tho­li­sche
Schie­ber le­gen das sonn­tags als Meß­pfen­nig auf den Tel­ler und schä­men sich,
weil sie so gei­zig sind.»
    Ge­org
kratzt sich den kah­len Schä­del – ei­ne ata­vis­ti­sche Ges­te, oh­ne Sinn bei ihm.
Dann reicht er mir einen drit­ten Pa­cken. «Gott sei Dank, daß mor­gen Sonn­tag
ist», sagt er. «Da gibt es kei­ne Dol­lar­kur­se. Einen Tag in der Wo­che steht die
In­fla­ti­on still. Gott hat das si­cher nicht so ge­meint, als er den Sonn­tag
schuf.»
    «Wie
ist es ei­gent­lich mit uns?» fra­ge ich. «Sind wir plei­te, oder geht es uns
glän­zend?»
    Ge­org
tut einen lan­gen Zug aus sei­ner Meer­schaum­spit­ze.
    «Ich
glau­be, das weiß heu­te kei­ner mehr von sich in Deutsch­land. Nicht ein­mal der
gött­li­che Stin­nes. Die Spa­rer sind na­tür­lich al­le plei­te. Die Ar­bei­ter und
Ge­halts­emp­fän­ger auch. Von den klei­nen Ge­schäfts­leu­ten die meis­ten, oh­ne es zu
wis­sen. Wirk­lich glän­zend geht es nur den Leu­ten mit De­vi­sen, Ak­ti­en oder
großen Sach­wer­ten. Al­so nicht uns. Ge­nügt das zu dei­ner Er­leuch­tung?»
    «Sach­wer­te!»
Ich se­he hin­aus in den Gar­ten, in dem un­ser La­ger steht. «Wir ha­ben wahr­haf­tig
nicht mehr all­zu vie­le. Haupt­säch­lich Sand­stein und ge­gos­se­nes Zeug. Aber we­nig
Mar­mor und Gra­nit. Und das biß­chen, was wir ha­ben, ver­kauft uns dein Bru­der mit
Ver­lust. Am bes­ten wä­re es, wir ver­kauf­ten gar nichts, was?»
    Ge­org
braucht nicht zu ant­wor­ten. Ei­ne Fahr­rad­glo­cke er­klingt drau­ßen. Schrit­te
kom­men über die al­ten Stu­fen. Je­mand hus­tet recht­ha­be­risch. Es ist das
Sor­gen­kind des Hau­ses, Hein­rich Kroll ju­ni­or, der zwei­te In­ha­ber der Fir­ma.
    Er
ist ein klei­ner, kor­pu­len­ter Mann mit ei­nem stro­hi­gen Schnurr­bart und
stau­bi­gen, ge­streif­ten Ho­sen, die durch Rad­fahr­klam­mern un­ten zu­sam­men­ge­hal­ten
wer­den. Mit leich­ter Miß­bil­li­gung strei­fen sei­ne Au­gen Ge­org und mich. Wir
sind für ihn die Bü­ro­hengs­te, die den gan­zen Tag her­um­bum­meln, wäh­rend er der
Mann der Tat ist, der den Au­ßen­dienst be­treut. Er ist un­ver­wüst­lich. Mit dem Mor­gen­grau­en
zieht er je­den Tag zum Bahn­hof und dann mit dem Fahr­rad auf die ent­le­gens­ten
Dör­fer, wenn un­se­re Agen­ten, die To­ten­grä­ber oder Leh­rer, ei­ne Lei­che ge­mel­det
ha­ben. Er ist nicht un­ge­schickt. Sei­ne Kor­pu­lenz ist ver­trau­ens­wür­dig; des­halb
hält er sie durch flei­ßi­ge Früh- und Däm­mer­schop­pen auf der Hö­he. Bau­ern ha­ben
klei­ne Di­cke lie­ber als ver­hun­gert aus­se­hen­de Dün­ne. Da­zu kommt sein An­zug. Er
trägt nicht, wie die Kon­kur­renz bei Stein­mey­er, einen schwar­zen Geh­rock; auch
nicht, wie die Rei­sen­den von Holl­mann und Klotz, blaue Stra­ßen­an­zü­ge – das ei­ne
ist zu deut­lich, das an­de­re zu un­be­tei­ligt. Hein­rich Kroll trägt den

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