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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
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Bü­ro ab.

II
    Wir
tre­ten
aus der Tür. Die hef­ti­ge Son­ne des spä­ten Aprils stürzt auf uns her­un­ter, als
wür­de ein rie­si­ges gol­de­nes Be­cken mit Licht und Wind aus­ge­schüt­tet. Wir
blei­ben ste­hen. Der Gar­ten steht in grü­nen Flam­men, das Früh­jahr rauscht im
jun­gen Laub der Pap­pel wie ei­ne Har­fe, und der ers­te Flie­der blüht.
    «In­fla­ti­on!»
sa­ge ich. «Da hast du auch ei­ne – die wil­des­te von al­len. Es scheint, daß
selbst die Na­tur weiß, daß nur noch in Zehn­tau­sen­den und Mil­lio­nen ge­rech­net
wird. Sieh dir an, was die Tul­pen da ma­chen! Und das Weiß drü­ben und das Rot
und über­all das Gelb! Und wie das riecht!»
    Ge­org
nickt, schnup­pert und nimmt einen Zug aus der Bra­sil; Na­tur ist für ihn dop­pelt
schön, wenn er da­bei ei­ne Zi­gar­re rau­chen kann.
    Wir
füh­len die Son­ne auf un­se­ren Ge­sich­tern und bli­cken auf die Pracht. Der Gar­ten
hin­ter dem Hau­se ist gleich­zei­tig der Aus­stel­lungs­platz für un­se­re Denk­mä­ler.
Da ste­hen sie, an­ge­führt wie ei­ne Kom­pa­nie von ei­nem dün­nen Leut­nant, von dem
Obe­lis­ken Ot­to, der gleich ne­ben der Tür sei­nen Pos­ten hat. Er ist das Stück,
das ich Hein­rich ge­ra­ten ha­be zu ver­kau­fen, das äl­tes­te Denk­mal der Fir­ma, ihr
Wahr­zei­chen und ei­ne Mons­tro­si­tät an Ge­schmack­lo­sig­keit. Hin­ter ihm kom­men
zu­erst die bil­li­gen klei­nen Hü­gel­stei­ne aus Sand­stein und ge­gos­se­nem Ze­ment,
die Grab­stei­ne für die Ar­men, die brav und an­stän­dig ge­lebt und ge­schuf­tet
ha­ben und da­durch na­tür­lich zu nichts ge­kom­men sind. Dann fol­gen die grö­ße­ren,
schon mit So­ckeln, aber im­mer noch bil­lig, für die, die schon et­was Bes­se­res
sein möch­ten, we­nigs­tens im To­de, da es im Le­ben nicht mög­lich war. Wir
ver­kau­fen mehr da­von als von den ganz ein­fa­chen, und man weiß nicht, ob man
die­sen ver­spä­te­ten Ehr­geiz der Hin­ter­blie­be­nen rüh­rend oder ab­surd fin­den soll.
Das nächs­te sind die Hü­gel­stei­ne aus Sand­stein mit ein­ge­las­se­nen Plat­ten aus
Mar­mor, grau­em Sye­nit oder schwar­zem schwe­di­schem Gra­nit. Sie sind be­reits zu
teu­er für den Mann, der von sei­ner Hän­de Ar­beit ge­lebt hat. Klei­ne Kauf­leu­te,
Werk­meis­ter, Hand­wer­ker, die einen ei­ge­nen Be­trieb ge­habt ha­ben, sind die
Kun­den da­für – und na­tür­lich der ewi­ge Un­glücks­ra­be, der klei­ne Be­am­te, der
im­mer mehr vor­stel­len muß, als er ist, die­ser bra­ve Steh­kra­gen­pro­le­ta­ri­er, von
dem kei­ner weiß, wie er es fer­tig­bringt, heut­zu­ta­ge noch zu exis­tie­ren, da
sei­ne Ge­halts­er­hö­hun­gen stets viel zu spät kom­men.
    Al­le
die­se Denk­mä­ler sind noch das, was man als Klein­vieh be­zeich­net – erst hin­ter
ih­nen kom­men die Klöt­ze aus Mar­mor und Gra­nit. Zu­nächst die ein­sei­tig
po­lier­ten, bei de­nen die Vor­der­flä­chen glatt sind, Sei­ten und Rücken­flä­che rauh
ge­spitzt und die So­ckel all­sei­tig rauh. Das ist be­reits die Klas­se für den
wohl­ha­ben­de­ren Mit­tel­stand, den Ar­beit­ge­ber, den Ge­schäfts­mann, den bes­se­ren
La­den­be­sit­zer und, na­tür­lich, den tap­fe­ren Un­glücks­ra­ben, den hö­he­ren Be­am­ten,
der, eben­so wie der klei­ne, im To­de mehr aus­ge­ben muß, als er im Le­ben ver­dient
hat, um das De­ko­rum zu wah­ren.
    Die
Ari­sto­kra­tie der Grab­stei­ne je­doch sind der all­sei­tig po­lier­te Mar­mor und der
schwar­ze schwe­di­sche Gra­nit. Da gibt es kei­ne rau­hen Sei­ten und Rücken­flä­chen
mehr; al­les ist auf Hoch­glanz ge­bracht wor­den, ganz gleich, ob man es sieht
oder nicht, so­gar die So­ckel, und da­von gibt es nicht nur einen oder zwei,
son­dern oft auch einen ge­schräg­ten drit­ten, und oben dar­auf, wenn es sich um
ein Glanz­stück im wah­ren Sin­ne des Wor­tes han­delt, auch noch ein statt­li­ches
Kreuz aus dem­sel­ben Ma­te­ri­al. So et­was ist heu­te na­tür­lich nur noch da für
rei­che Bau­ern, große Sach­wert­be­sit­zer, Schie­ber und die ge­schick­ten Ge­schäfts­leu­te,
die mit lang­fris­ti­gen Wech­seln ar­bei­ten und so von der Reichs­bank le­ben, die
al­les mit im­mer neu­en,

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