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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der schwarze Obelisk
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be­son­ders die An­wen­dung des Blatt­gol­des. Um den Ef­fekt
völ­lig na­tür­lich zu ma­chen, hat­te ich näm­lich die ge­zeich­ne­ten und ge­mal­ten
Grab­stei­ne mit In­schrif­ten aus in Fir­nis auf­ge­lös­tem Blatt­gold ge­schmückt. Ich
ver­leb­te ei­ne köst­li­che Zeit da­bei; je­den Men­schen, den ich nicht lei­den
konn­te, ließ ich ster­ben und mal­te ihm sei­nen Grab­stein – mei­nem Un­ter­of­fi­zier
aus der Re­kru­ten­zeit, der heu­te noch fröh­lich lebt, zum Bei­spiel: Hier ruht
nach lan­gem, un­end­lich qual­vol­lem Lei­den, nach­dem ihm al­le sei­ne Lie­ben in den
Tod vor­aus­ge­gan­gen sind, der Schutz­mann Karl Flü­mer. Das war nicht oh­ne
Be­rech­ti­gung – der Mann hat­te mich stark ge­schun­den und mich im Fel­de zwei­mal
auf Pa­trouil­len ge­schickt, von de­nen ich nur durch Zu­fall le­ben­dig
zu­rück­ge­kom­men war. Da konn­te man ihm schon al­ler­hand wün­schen!
    «Herr
Kroll», sa­ge ich, «er­lau­ben Sie, daß wir Ih­nen noch ein­mal kurz die Zeit
er­klä­ren. Die Grund­sät­ze, mit de­nen Sie auf­ge­wach­sen sind, sind edel, aber sie
füh­ren heu­te zum Bank­rott. Geld ver­die­nen kann jetzt je­der; es wert­be­stän­dig
hal­ten fast kei­ner. Das Wich­ti­ge ist nicht, zu ver­kau­fen, son­dern ein­zu­kau­fen
und so rasch wie mög­lich be­zahlt zu wer­den. Wir le­ben im Zeit­al­ter der
Sach­wer­te. Geld ist ei­ne Il­lu­si­on; je­der weiß es, aber vie­le glau­ben es
trotz­dem noch nicht. So­lan­ge das so ist, geht die In­fla­ti­on wei­ter, bis das
ab­so­lu­te Nichts er­reicht ist. Der Mensch lebt zu 75 Pro­zent von sei­ner
Phan­ta­sie und nur zu 25 Pro­zent von Tat­sa­chen – das ist sei­ne Stär­ke und sei­ne
Schwä­che, und des­halb fin­det die­ser He­xen­tanz der Zah­len im­mer noch Ge­win­ner
und Ver­lie­rer. Wir wis­sen, daß wir kei­ne ab­so­lu­ten Ge­win­ner sein kön­nen; wir
möch­ten aber auch nicht ganz zu den Ver­lie­rern zäh­len. Die drei­vier­tel Mil­li­on,
für die Sie heu­te ver­kauft ha­ben, ist, wenn sie erst in zwei Mo­na­ten be­zahlt
wird, nicht mehr wert als heu­te fünf­zig­tau­send Mark. Des­halb ...»
    Hein­rich
ist dun­kel­rot an­ge­schwol­len. Jetzt un­ter­bricht er mich. «Ich bin kein Idi­ot»,
er­klärt er zum zwei­ten Ma­le. «Und Sie brau­chen mir kei­ne sol­chen al­ber­nen
Vor­trä­ge zu hal­ten. Ich weiß mehr vom prak­ti­schen Le­ben als Sie. Und ich will
lie­ber in Eh­ren un­ter­ge­hen als zu frag­wür­di­gen Schie­ber­me­tho­den grei­fen, um zu
exis­tie­ren. So­lan­ge ich Ver­kaufs­lei­ter der Fir­ma bin, wird das Ge­schäft im
al­ten, an­stän­di­gen Sin­ne wei­ter­ge­führt, und da­mit bas­ta! Ich weiß, was ich
weiß, und da­mit ist es bis jetzt ge­gan­gen, und so wird es wei­ter­ge­hen!
Ekel­haft, ei­nem die Freu­de an ei­nem ge­lun­ge­nen Ge­schäft so ver­der­ben zu wol­len!
Warum sind Sie nicht Arsch­pau­ker ge­blie­ben?»
    Er
greift nach sei­nem Hut und wirft die Tür schmet­ternd hin­ter sich zu. Wir se­hen
ihn auf sei­nen stäm­mi­gen X-Bei­nen über den Hof stamp­fen, halb­mi­li­tä­risch mit
sei­nen Rad­fahr­klam­mern. Er ist im Ab­marsch zu sei­nem Stamm­tisch in der
Gast­wirt­schaft Blu­me.
    «Freu­de
am Ge­schäft will er ha­ben, die­ser bür­ger­li­che Sa­dist», sa­ge ich är­ger­lich.
«Auch das noch! Wie kann man un­ser Ge­schäft an­ders als mit from­mem Zy­nis­mus
be­trei­ben, wenn man sei­ne See­le be­wah­ren will? Die­ser Heuch­ler aber will Freu­de
am Scha­cher mit To­ten ha­ben und hält das noch für sein an­ge­stamm­tes Recht!»
    Ge­org
lacht. «Nimm dein Geld und laß uns auch auf­bre­chen! Woll­test du dir nicht noch
ei­ne Kra­wat­te kau­fen? Vor­wärts da­mit! Heu­te gibt es kei­ne Ge­halts­er­hö­hun­gen
mehr!»
    Er
nimmt den Kof­fer mit dem Geld und stellt ihn acht­los in das Zim­mer ne­ben dem
Bü­ro, wo er schläft. Ich ver­staue mei­ne Pa­cken in ei­ner Tü­te mit der
Auf­schrift: Kon­di­to­rei Kel­ler – feins­te Back­wa­ren, Lie­fe­rung auch ins Haus.
    «Kommt
Rie­sen­feld tat­säch­lich?» fra­ge ich.
    «Ja,
er hat te­le­gra­phiert.»
    «Was
will er? Geld? Oder ver­kau­fen?»
    «Das
wer­den wir se­hen», sagt Ge­org und schließt das

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